Marokko_2

Über den Hohen Atlas in die Wüste


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Über winzige Sträßchen geht es in den Hohen Atlas. Dieser Gebirgszug teilt Marokko in zwei Hälften, den fruchtbaren Norden und den trockenen Süden. Der höchste Gipfel erreicht über 4.100 Meter, hier oben schneit es im Winter, man kann sogar Skifahren, und das aus den Bergen abfließende Wasser ist Lebensader der den Gebirgszug umgebenden Ebenen. Die Landschaft ist archaisch, schroff und augenscheinlich lebensfeindlich. Zwischen Felsen wachsen niedrige Büsche, kaum Bäume. Hier gibt es keinerlei größere Ansiedlungen und entwicklungstechnisch ist diese Region Marokkos definitiv ganz weit weg vom Rest des Landes. Die wenigen Menschen leben isoliert, abgelegen und unter extrem erschwerten Bedingungen. Die Flussläufe liegen in engen Tälern, der Anbau von Obst und Gemüse ist schwierig und mühselig. Die Landmaschine des Hohen Atlas ist das Muli oder der Esel, Traktoren sehen wir kaum. Wie als Kontrast zu den bräunlich-grauen Felsen tragen die Frauen oft strahlend bunte Gewänder und schleppen, gebückt von der Last, riesige Ballen trockenen Grases und Grünzeug ins Tal. Die Männer hingegen ziehen mit ihren Schafen und Ziegen umher auf der Suche nach etwas Essbarem für die Viecher. Die Kinder spielen zwischen Hühnern und streunenden Hunden auf der staubigen Straße, wenn sie nicht gerade ihren Eltern bei der beschwerlichen Arbeit helfen müssen. Wenn wir durch kleine Ortschaften fahren, kommen sie angerannt, winken, lachen, rennen neben uns her, versuchen schneller zu sein als wir. Die Männer nicken uns freundlich zu, winken und lachen ebenfalls und sind sehr zuvorkommend, vor allem im Straßenverkehr. Je höher wir in die Berge, in die Abgeschiedenheit winziger Ortschaften kommen, desto verschlossener wirken jedoch die Frauen. Dicht verhüllt mit bunten oder schwarzen Tüchern, verstecken viele ihr Gesicht, wenn wir vorbeifahren. Der Hohe Atlas – was für ein krasser Gegensatz, verglichen mit der wachsenden, modernen Großstadt Casablanca mit Trambahn, westlicher Kleidung, McDonalds und Apartmentblocks.

Entlang des Flusses Dades, durch die gleichnamige Schlucht und über die Route des Kasbahs, verlassen wir den Hohen Atlas. Vor uns liegt eine trockene, wüstenartige Ebene. Das Städtchen Rissani, immerhin noch auf 750 Metern über dem Meeresspiegel, liegt an den nördlichen Ausläufern der Sahara. Das heutige Rissani befindet sich unweit der ehemaligen Karawanenstadt Sidschilmasa, einst Tor zur größten Wüste der Welt. Noch heute leben in der Region viele Nomaden, Rissani ist Treffpunkt, Markplatz und Zentrum des Tafilalet, einer Ansammlung mehrere Oasen in diesem Landesteil am Rande der Wüste. Auf dem sehr ursprünglichen Markt in Rissani decken wir uns noch einmal mit frischem Gemüse, Obst und Fladenbrot ein, dann geht es auf kleiner, holperiger Straße und mehr oder weniger dem Kompass folgend in Richtung Wüste. Östlich der Stadt treffen wir auf die ersten Dünen der Erg (arabisch für Dünenmeer) Chebbi. Wir „umfahren“ das Dünenmeer auf der Ostseite durch eine herrlich einsame Landschaft, vorbei an einigen wenigen Wüstencamps und Kamelherden im Sonnenuntergang. Und klar, auf der ersten Düne bleiben wir stecken. Jetzt liegt diese Düne auch noch genau neben einem Wüstencamp für Pauschaltouristen und so ist uns eine gewisse Aufmerksamkeit, wenigstens der gerade anwesenden Einheimischen, sicher. Die Temperaturen sind inzwischen merklich gestiegen und das Sandschaufeln treibt uns den Schweiß nicht nur auf die Stirn. Es liegt viel Staub in der Luft und die Sicht ist schlecht. Wie können kaum erahnen, wie es bei blauem Himmel aussehen würde.

Weiter geht unsere Wüstentour von Taouz nach Mhamid, immer entlang der algerischen Grenze. Auch hier: schlechte Sicht und extreme Temperaturen von bis zu 36°C – nachts um 2:00 Uhr! Sand gibt es hier wenig, dafür viel Staub, steinige Pisten, wenige verstreute Sträucher und Bäume, ein paar Nomadenzelte und ab und an ein paar „Auberges“- wenn man die halb verfallenen, verkommenen Lehmgemäuer so nennen mag.

Der Wüstenort Taouz liegt am südlichen Ende, nicht nur der Welt sondern auch der einzigen geteerten Straße der Region am Oued (ausgetrockneter Flusslauf) des selten Wasser führenden Flusses Ziz. Algerien ist nicht weit, Luftlinie keine 35 Kilometer. Da der marokkanisch-algerische Grenzverlauf immer noch umstritten ist, müssen wir aufpassen, nicht aus Versehen über die Grenze zu fahren. Hier draußen ist es einsam, die Piste Richtung Südwesten, nach Mhamid, gilt als eine der letzten großen, großartigen Off-Road Pisten Marokkos. Zu Beginn ist die Piste steinig und eng und Vorsicht ist geboten – wollen wir nicht schon wieder Reifen wechseln müssen. Je weiter wir in die westliche Kem-Kem-Wüste vordringen, desto unwirtlicher wird die Landschaft. Berber ziehen mit riesigen Ziegenherden am Horizont entlang, die Oasen wirken wie verlassenen Drehorte und es ist heiß, richtig heiß.

Aloisius rödelt, Allrad, niedrige Untersetzung, 38°C Außentemperatur. Das erste Mal bemerken wir den Wasserverlust im Kühlsystem abends beim täglichen Check. Halb so schlimm, denken wir, füllen nach und gut ist’s. Doch schon nach der ersten Stunde Fahrt am nächsten Tag leuchten schon wieder alle Warnleuchten rot. Stopp. Prüfen. Und wir stellen fest, dass wir in einer Stunde auf knapp 25 Kilometern über 3,5 Liter Kühlwasser verloren haben. Nicht gut, besonders nicht in der Wüste. Vier Augenpaare starren gebannt auf der Suche nach dem Leck in den Motorenraum, bis endlich der erlösende Aufschrei kommt: „hier, hier tropft es!“  Die Stelle, an der sich der Kühlwasserschlauch an einer Kante aufgescheuert hat, könnte blöder nicht liegen: eng, verwinkelt, kaum zu erreichen. Nach über einer Stunde, zahlreichen Schrammen an den Unterarmen und einigen Flüchen haben wir das Loch mit gut 1,5 Metern selbstverschweißendem „Rescue-Tape“ abgedichtet. Wasser rein und weiter. Ok, es tropft immer noch ein wenig, aber auch bei der größten Anstrengung „schwitzt“ Aloisius nie mehr als einen Dreiviertel Liter pro Tag. So geben wir ihm fortan jeden Morgen eine extra Portion Wasser.

Ab und an durchfahren wir kleinere Dünengebiete. Das macht Spaß und wir bleiben auch nicht noch einmal stecken. Die gängige Vorstellung von Wüste ist ja Sand, Sand und noch einmal Sand – bis zum Horizont und darüber hinaus. Aber es gibt eben auch Felswüsten, Schotterwüsten, Kieselwüsten, Steinwüsten – und was auch immer. Nach den kleinen Dünengebieten durchqueren wir hauptsächlich Kieselwüsten mit wenig Sand dazwischen. Und sagenhafte Bergketten. Die Überquerung dieser Bergketten ist zwar landschaftlich beeindruckend, fahrerisch jedoch extrem mühselig, die Pisten schmal, steil, die Kurven eng, die Abhänge seitlich steil und tief. Aber auch herausfordernd, aufregend und toll!

Ehrlich gesagt sind wir dann nach zwei langen Tagen nicht ganz unfroh, wieder geteerten Boden unter Füßen und Rädern zu haben. Die Strecke war im Gesamten mühselig, steinig und holperig und landschaftlich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, meist eher eintönig, was aber sicherlich der schlechten Sicht geschuldet ist.

Und keine Wüste ohne Sandsturm. Gerade haben wir an den Ausläufern von riesigen Sanddünen in der Nähe von Mhamid einen schönen Schlafplatz gefunden, verdunkelt sich der Himmel und so schnell können wir gar nicht schauen, zieht die erste Windböe mit einer prallen Ladung Sand im Schlepptau durch alle offenen Fenster mitten durch Aloisius. Der Sand ist überall: im Pfannengemüse, im Wasserglas, in den Ohren, in der Nase, in der hinterletzten Ritze, sogar in verschlossenen Schränken finden wir ihn. Kaum haben wir unseren mobilen Sandkasten einigermaßen entsandet – schwups, die nächste Böe. Und wieder überall Sand. Etwas genervt beschließen wir zur später Stunde, den schönen Stellplatz an den Dünen zu verlassen und suchen uns in der stockdunklen Nacht einen windgeschützten Platz, den wir 30 Kilometer nördlich zwischen Mauern und Palmen auch finden.

Eigentlich wollten wir ja noch südlich des ausgetrockneten Lac Iriqui, des Oued Draa sowie des Gebirgszuges Ouarkziz dem Verlauf der marokkanisch-algerischen Grenze folgend durch die weite Einsamkeit bis zum Atlantik bei Tan Tan fahren. Doch bei diesen Temperaturen, der schlechten Sicht und den tonnenweise in der Luft schwebenden Sand lassen wir es sein. Man muss ja auch noch was vor sich haben – für die nächste Marokkoreise.


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