Marokko_1

Ankunft im „Orient“


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15.09. – 13.10.2017

Als es dunkel wird, gehen wir noch einmal an den Strand. Am Horizont, drüben auf der anderen Seite des Meeres, funkeln ein paar Lichter. Das Geflimmer sind die Vorboten. Morgen geht es los, geht es rüber. Rüber nach Afrika, nach Marokko. Wir sind gespannt – und auch ein bisschen aufgeregt.

Nach über 2.500 Kilometern Anreise nach Südspanien sind unsere Hintern platt-gesessen, die Beine müde und wir auch ein bisschen erschöpft. Trotz vielen, vielen Kilometern auf der Autobahn war die Fahrt nett und abwechslungsreich. Wir hatten nette Schlafplätze gefunden, unter anderem auf einer Trüffelfarm, einem Weingut, in den unendlich Weiten von La Mancha und vor den ehrwürdigen Toren einer andalusischen Kleinstadt, außerdem wurde es jeden Tag, mit jedem Kilometer ein wenig sonniger und wärmer. Herrlich.

Am südlichen Zipfel Spaniens, auf einem von braungebrannten Dauercampern besiedelten Campingplatz und eingerahmt vom dualen Rauschen des Meeres einerseits und einer vierspurigen Schnellstraße andererseits treffen wir uns, wie verabredet, mit unseren Freunden Sonja und Knut. Die beiden Laster nebeneinander inmitten schneeweißer Wohnwägen wirken ähnlich surreal wie Sonnenschein um Mitternacht. Wir füllen noch mal Wasser auf, waschen Wäsche, decken uns in einem riesigen Carrefour mit allem Nötigen ein und setzen zwei Tage später gemeinsam über – von Algeciras nach Tanger Med.

Das Einreise-Prozedere ist völlig unkompliziert: hier und da hinlaufen, Stempel Nummer 1 abholen, zum nächsten Büro und Stempel Nummer 1 abstempeln lassen, mit abgestempelten Stempel und ausgefüllten Formularen zum übernächsten Büro, Papiere abstempeln lassen und – fertig! Wow, das war einfach. Wir beide sind abgestempelt, Aloisius ist im Reisepass eingetragen und ein kleiner weißer Zettel von der Größe zweier Postkarten sei unser wichtigstes Dokument, sagt man uns; den würden wir ständig brauchen. Auf keinen Fall verlieren, sonst „problem, big problem“. Verstanden, wichtig. Wir brauchen den Zettel kein einziges Mal, erst wieder bei der Ausreise.

Kaum ein paar Kilometer draußen aus dem Hafen sind wir auch schon mittendrin. Mittendrin in Afrika, mittendrin in Marokko. Eselskarren von links, uralte Mercedes-Taxis von rechts, dank mindestens neun (!) Insassen auch flott tiefergelegt, Händler schieben Karren voll unterschiedlicher Waren gemächlich von hier nach da und in den Läden werden Datteln, Granatäpfel, Wasser, Eimer, Schläuche, Brot, Satellitenschüsseln, Möbel, halbe Ziegen und Schafsköpfe, Cola und nach Jasmin duftendes Klopapier feil geboten. Marokko, Land des Orients, Land der Exotik, Land der Gegensätze. Ein trubeliges und spannendes Schauspiel zwischen alten Kasbahs und im Bau befindlichen Moscheen, einsamen Landschaften und quirligen Königsstädten, majestätischen Bergen im Hohen Atlas und grünen Oasen in schroffen Tälern sowie vom Wind gepeitschte Gischt an der Atlantikküste und staubtrockene Wüsten des Südens.

In Deutschland stehen Bio-, Papier- und Restmülltonne in den Gärten und Einfahrten Spalier, Glas wird brav nach Farben getrennt recycelt und alles was diese Kriterien nicht erfüllt, wird auch gesammelt und in unregelmäßigen Abständen unter den strengen Augen orange-gekleideter „Müll-Wächter“ auf dem Wertstoffhof in säuberlich beschriftete Container geschmissen. In Marokko nicht. Nicht mal ansatzweise. Die schieren Mengen Müll, die sich an den Straßenrändern sammeln, Plastiktüten, die, an Sträuchern und Ästen gefangen, im Wind wehen sind gewöhnungsbedürftig für unsere europäischen Augen. Gewöhnungsbedürftig auch, dass sich keiner daran zu stören scheint. Irgendwie ist es surreal: bei uns daheim wird diskutiert, Cofffee-to-go-Becher mehrmals zu benutzen, hier fliegen leere Plastikflaschen einfach aus dem Autofenster, alte Autoreifen werden in tiefe Täler geschmissen und so weiter. Besonders fallen uns immer wieder Berge vollgeschissener Babywindeln auf. Es scheint, als würden diese in Säcken gesammelt und während der nächsten Überlandfahrt bei der ersten Pause einfach bergeweise neben die Straße gekippt. …..

Für uns geht es erst einmal Richtung Süden. Es beeindruckt uns, wie schnell sich Landschaft, Flora und Fauna ändern, je weiter wir ins Landesinnere gelangen. Aber auch die Menschen, ihre Städte, ihre Kleidung und ihr Verhalten gegenüber Gästen ändert sich. Das „blaue Städtchen“ Chefchaouen, sowohl strategisch perfekt als auch ebenso malerisch knapp 600 Meter hoch an den Hängen des Rif-Gebirges gelegen, mutet wie ein Mix aus Andalusien, trubeligem Orient und einer aufstrebenden modernen Stadt an. Früher war Ausländern der Zutritt unter Androhung der Todesstrafe verboten, heute wuseln zwischen all den Marokkanern unzählige Besucher durch die pittoresken Gassen. Der Schimmer von Blau verzaubert, er ist einzigartig und irgendwie mystisch. Diese spezielle und wohl sehr teure Farbe soll angeblich Insekten und Kleinstgetier fern halten. Das mag stimmen, für Touristen gilt das glatte Gegenteil. Doch kaum ein paar Straßen abseits der ausgetretenen Pfade, schon ist man „allein“. Hier gehen die Einwohner ihren Weg, machen Besorgungen, sitzen im Schatten und ratschen. Die Menschen lächeln uns zu, die Kinder spielen in den Gassen Fußball, wildlebende, abgemagerte Katzen und Hunde streunen umher. Dazwischen Esel, die stoisch ihre beladenen Karren hinter sich herziehen, hupende Mopeds, klapprige Fahrräder. An einer Ecke werden frische Fladenbrote verkauft, an der anderen Ecke türmen sich rosarote Granatäpfel auf einem Wagen. In den Bars sitzen Männer und trinken Marokko-Whiskey, heißen Minztee.

Je weiter wir ins Landesinnere vordringen, und natürlich fernab von touristischen Sehenswürdigkeiten, desto weniger werden wir wahrgenommen. Wir schwimmen im Verkehr mit, kaufen am Straßenrand unter Einheimischen Obst und Gemüse, werden freundlich begrüßt und in ihrem Land willkommen geheißen und nur äußerst selten werden wir von aufdringlichen Händlern bedrängt.

Ganz anders in Fes. Als eine der vier marokkanischen Kaiserstädte ist Fes neben Marrakesch sicherlich die meistbesuchte Stadt Marokkos. Sogar der Reiseführer für individuelles Reisen hält nicht mit dem Know-How zurück, dass das Gassengewirr der riesigen Medina nur mit Führer zu bewältigen sei; erstens, um nicht verloren zu gehen und zweiten, um nicht „falschen Führern“ auf den Leim zu gehen.

So buchen wir also einen echten Führer. Mohammed trudelt mit seinem Führer-Ausweis um den Hals und in traditionellem, wallenden arabischen Gewand gekleidet in aller Seelenruhe rund eineinhalb Stunden nach dem verabredeten Zeitpunkt, aber immerhin am verabredeten Ort, ein. Nach einem kurzen Hinweis, er sei kein Dschihadist (mein Gott, sind wir froh!) und einem längeren Exkurs über Islam, Gott und die Welt und all die Probleme, die die westliche Welt mit dem Islam derzeit hat, kommen wir auf den Kern des Treffens zurück. Guter Punkt, meint Mohammed, wir seien spät dran, wir müssten uns jetzt sputen, um das Tagesprogramm zu schaffen. Also Zack, im Stechschritt hinterher. „Können wir hier mal kurz reinschauen?“, „Nein, weiter, weiter. Es gibt noch viel sehen“.


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So sehen wir in diesem Tempo doch recht wenig und wenn, dann nur von außen. Ok, mal abgesehen von den rund sieben Teppichläden, drei Ledertaschenläden, fünf Teekannenverkaufsstellen und einer Apotheke, in der es hauptsächlich Aphrodisiaka in Wurzelform zum Kauen zu erwerben gibt. Dieses enorme Angebot an Aphrodisiaka gibt uns zu denken. Entweder glauben die Marokkaner, dass jeder Ausländer diesbezüglich schwach auf der Brust ist, oder wir Ausländer glauben, dass der Marokkaner gerne auf sexuell stimulierenden Wurzeln herumkaut, um den Familienstamm wachsen zu lassen. Oder aber, all das ist Schmarrn, und es verkauft sich einfach gut und keiner kaut darauf rum. Wie dem auch sei.

Zu Guter Letzt fängt unser lieber Führer auch noch einen gestenreichen und lautstarken Streit mit einem Taxifahrer an. Mohammed meinte später, dieser wollte uns nicht mitnehmen, wir müssten jetzt ein arabisches Dokument unter Angabe unserer Reisepassnummern und Adressen für die Polizei unterschreiben, denn dieser „Schurke“ müsse wortwörtlich aus dem Verkehr gezogen werden. Äh, wie bitte, Passnummer, Adresse auf einem Dokument, dessen Inhalt wir nicht verstehen? Wir verneinen freundlich, sehr zum Unmut Mohammeds. Unser Tipp also: keinen Führer nehmen, dafür einen guten Stadtplan, etwas Zeit und nicht vergessen: sich im Gassengewirr einer Medina zu verlaufen ist Teil des Abenteuers!


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