Eine Pissnelke

Jetzt gibt’s Ärger!

13.10.2008

USA: ÄRGER MIT DER POLIZEI

Montag, 13. Oktober 2008, 14:30 Uhr, Laguna Beach in Orange County

Achtung, hier kommen Bösewichte!

Es ist ein wunderbarer, sonniger Montag. Columbus Day in Amerika. An diesem Tag gedenken die Amerikaner der Entdeckung ihres Kontinents durch Christoph Columbus. Auch wenn Columbus am 12. Oktober des Jahres 1492 gelandet ist, wird dieses denkwürdigen Ereignisses immer am zweiten Montag im Oktober gedacht. Irgendwann muss man, also der hart arbeitende Amerikaner (laut McCain der überhaupt am härtesten auf der Welt arbeitende Mensch) ja auch mal frei haben. Langes Wochenende. Hurra.

Frei haben natürlich nicht die Ordnungshüter. „America’s Finest to protect and serve“ steht hier auf den Polizeiautos. Kein Wort von Intelligenz, leider, wie sich noch zeigen sollte! Die Bevölkerung schützen vor den bösen und feindlich gesinnten Individuen, die hier die Straßen säumen. Dienst hat auch Officer S. Sendele, eine rassige, verbissene und verbohrte Blondine. Der Traum eines jeden Sadomasochisten; so richtig mit Knüppel, Handschellen und Totschießknarre an der Hüfte.

Pflichtbewusst tut sie Dienst. Und dann kommen wir! In voller Pracht und gut gelaunt rauschen wir mit unserem Knut den berühmten Highway Number 1 in Richtung Süden. Gerade sind wir noch durch Huntington Beach, der Heimat des wohl berühmtesten Bäckerlehrlings der deutschen Nation, Jürgen Klinsmann, gefahren.

Frau Polizistin Sendele ist langweilig, und da tut ein bisschen Abwechslung gut. Abwechslung sollen nicht die Bösewichte bringen, nein weit gefehlt, sondern wir. Unschuldige, brave Touristen unterwegs im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Unter lautem Tatütata werden wir angehalten. Eigentlich nichts Besonderes, sind wir doch mit unserem Gefährt schon das eine oder andere Mal von der Polizei angehalten worden. Immer war es aber eher Neugier als ein Missachten der Verkehrsregeln (zu schnell geht es mit unserem Laster eh nicht).

Jakob ist wie üblich in diesen Situationen so freundlich wie sonst kaum. Auch diesmal. Aber bereits der Blick in den Rückspiegel nährt erste Zweifel, ob es diesmal wieder problemlos klappt. Frau Polizistin Sendele schaut so böse und grantig. Das wird mühsam. Und das soll es werden. Sehr mühsam.

Nach dem üblichen Hallo, Gott zum Gruß und dem obligatorischen Herausreichen der Papiere verschwindet Frau Polizistin samt aller Papiere. Etwas ratlos sitzen wir im Auto und denken uns, na ja, soll sie halt bisschen funken und Namen überprüfen. Passt ja alles. Haben wir gedacht. Endlich, nach endloser Warterei taucht Frau Polizistin wieder im Rückspiegel auf. In einer Hand die Papiere, in der anderen einen großen Block, auf welchem sie viele Dinge notiert. Das erste Mal haben wir Zweifel! Und diese Zweifel sollten sich bewahrheiten. Frau Polizistin hat einen Gedanken fertig gedacht (erstaunliche Leistung, wie sich später herausstellen sollte) und stellt nun fest, wir würden mit einem ungültigen Kennzeichen (Nummernschild) herumfahren. Die prompte und mit tiefster Inbrunst der Überzeugung dargebrachte Antwort, dass dies nicht stimme hebt nicht gerade die Stimmung der guten Frau. Doch, sie besteht darauf, dass dies ein ungültiges Nummernschild sei. Nein! Dies ist nicht ungültig, sondern deutsch. Die gute Frau wiederholt ihre Behauptung und wieder widerspricht Jakob. Nach ein bisschen Hin und Her, beider Launen werden hörbar schlechter, zieht die Frau Polizistin (in Gedanken nennt Jakob sie bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch Pissnelke) die alles entscheidende Schlussfolgerung: Dieses Kennzeichen ist hier nicht erlaubt. Da könne ja jeder kommen und hier einfach rumfahren, mit was für einem Kennzeichen auch immer. Was wir denn glauben, was das hier sei. Auf jeden Fall kein Wunschkonzert, denken wir uns im Stillen.

Als wir dies dann auch noch bejahen, ist es bei der guten Frau aus mit Lustig. Dieses Nummernschild sei ja von der anderen Seite der Erde und nicht einmal nordamerikanisch und somit illegal. Punkt. Wieder verneinen wir und, inzwischen wieder gefasster (schwer ob dieser eklatanten Blödheit), versuchen wir der guten Polizistin zu erklären, dass wir wegen des Nummernschildes schon oft unnötigerweise angehalten wurden. „Unnötigerweise“ stammelt die Frau. Nicht unnötigerweise habe sie uns angehalten, sondern nötigerweise, schließlich hätten wir ja kein gültiges Kennzeichen, und so sei es dringendst nötig gewesen, uns zu stoppen. Jakob, inzwischen kurz vorm Ausflippen, startet einen letzten Versuch, die Dame trotz ihrer haarsträubenden Blödheit und Unwissenheit, fachlich kompetent und sachlich fundiert, von ihrer irrigen Meinung abzubringen. Vergebens. Wir bekommen, also als Fahrer nur Jakob, eine Vorladung vors Gericht.

Wir müssten den Sachverhalt mit einem Richter klären. Wann wir denn samt der Vorladung erscheinen dürfen? Heute? Morgen? Egal, jederzeit, sagt die Dame. Jakob bleibt nur noch eine letzte Frage. Was denn passiere, wenn man nicht erscheine? Frau Polizistin ringt, ob dieser Andeutung von möglichem Ungehorsam, mit ihrer Fassung. Das Gesicht wird rot und fast zerreißt es die Gute. Dann, ja dann wird Haftbefehl gegen Jakob erlassen, und der sei dann noch schlappe 10 Jahre gültig. Nun ringt Jakob mit der Fassung. Zum Glück kann er sich einen weiteren blöden oder provozierenden Kommentar verkneifen, schnappt sich den rosa Vo,rladungszettel und verabschiedet sich. Pissnelke verschwindet im Rückspiegel, steigt in ihr Auto und braust davon. Echte Bösewichte fangen.

Vor Gericht oder eben auch nicht und noch mehr sagenhafte Blödheit

Letzte Woche war, wie jede Woche auf www.spiegel.de, das Satellitenbild der Woche zu bewundern. Rauch über Kalifornien, dem Land von Arnold Schwarzenegger mit den jährlichen Waldbränden. Kilometerweit ziehen sich die Rauchschwaden die Küste entlang und über den Pazifik. Was leider auf diesem Bild nicht zu erkennen ist, ja, das sind wir.

Am nächsten Tag haben wir uns von San Diego aus auf den Weg gemacht in das ca. 100 km entfernte Laguna Beach, um dem Richter den Sachverhalt zu erklären und die Vorladung (samt drohendem Haftbefehl) aus der Welt zu schaffen. Aber die Wälder brennen lichterloh und die Autobahn ist gesperrt. Da stehen wir nun. Nachdem wir einen Umweg genommen haben, kommen wir nach knapp fünf Stunden und nach insgesamt fast 250 km an.

Guter Dinge marschieren wir mit allem, was wir an Unterlagen haben, in das Gerichtsgebäude. Und fünf Minuten später wieder raus. Warum? Eine nette Dame hat uns erklärt, dass jeder Officer 15 Werktage habe, um eine solche Vorladung in das lokale Computersystem zu stellen, und bevor es dort nicht sei, könne man auch nichts machen. Fast hätte es uns zerrissen. Haben wir doch die Polizisten-Pissnelke extra gefragt, wann wir dort erscheinen könnten. Kein Wort hat die über diese 15 Tage verloren. Schikane, pure Schikane! Einfach eine Sauerei! Wir erklären dies der Dame, aber nichts zu machen. Wir sollen in drei Wochen wieder kommen. Was? Das gehe nicht. Da sind wir ja gar nicht mehr in der Gegend. Ja, wenn dem so sei, dann müssten wir halt mit dem Haftbefehl leben können. Aber am Rande sei doch erwähnt, dass dieser auch außerhalb Kaliforniens vollzogen werde. Und irgendwann würden wir ja nach Hause fliegen, und bei der Passkontrolle würde dies auffallen und dann, ja dann, werde Jakob halt verhaftet. Der Hinweis, dass dies natürlich unsere Wahl sei, macht es auch nicht besser.

Zu guter Letzt gibt sie uns noch den Hinweis, im Erdgeschoss bei der Polizei vorbeizuschauen. Wenn die Herrschaften dort auf der Rückseite der Vorladung unterschreiben, dass eigentlich kein Tatbestand vorliege, würde das Verfahren eingestellt werden. Ein Hoffnungsschimmer, wenn auch ein dünner, wissen wir ja nun schon, wie inkompetent die Polizei hier ist. Aber wir machen uns auf den Weg.

Ja, das könne man hier machen, aber erst einmal müssen wir $15 zahlen – sozusagen als Aufwandsentschädigung für den weiten Fußweg des Polizisten von der Wache zum Auto (ca. 120 Meter). Der gute Mann schaut sich das Kennzeichen an und zeichnet die Vorladung natürlich nicht ab. Wir wittern jedoch unsere Chance und versuchen den Officer zu überzeugen, dass wir nichts falsch gemacht hätten. Er schaue noch einmal nach, wir sollten warten. Hoffnung!

Wie sollte es auch anders sein, zur Verstärkung und Unterstreichung der Richtigkeit seiner Aussage holt er seine CHEFIN! Schon wieder eine Zimtzicke. Streiten Teil 2. Dem Verlauf des Gespräches und dem Charakter der Dame nach zu urteilen, könnte sie die Mutter der gestrigen Pissnelke sein (ist sie aber nicht).
Also, es führe kein Weg an der Vorladung vorbei. Und zu guter Letzt macht sich Jakob mit seiner Frage, wo man denn hier eine Beschwerde gegen die Pissnelke des gestrigen Tages einreichen könne, auch nicht gerade beliebter. Wir ziehen von dannen.

Wieder im Auto beschließen wir, diesem Machtmissbrauch und der sagenhaften Inkompetenz ein Ende zu bereiten, und rufen in unserer Verzweiflung das Deutsche Konsulat an. Wir schildern unser Problem, aber so was haben auch die dort noch nie gehört. Sie würden uns jedoch dringendst empfehlen, einen Anwalt einzuschalten. Ohne könne das böse ins Auge gehen. Hui, das wird ja immer besser. Das Konsulat empfiehlt uns auch gleich einen. Über diesen werden wir dann letztendlich an einen Spezialisten für Verkehrsrecht weitergeleitet. Jacek Lentz, gebürtiger Pole, Sunnyboy und unser Anwalt. Dieser, nachdem wir unseren Fall dargelegt haben, bedauert uns. Wir seien schlicht und ergreifend durch das falsche County (ähnlich einem Landkreis) gefahren. Die Polizisten dort seien einfach nur „the most stupid and incompetent police in the whole of California“ und falsch gemacht hätten wir auch nichts. Für den folgenden Tag verabreden wir uns in seiner Kanzlei in Los Angeles. Also, wieder zurück nach San Diego und am nächsten Tag noch einmal dieselbe Autobahn, nur halt noch ein bisschen weiter. Reisen für Wiederholungstäter.

Immerhin, am nächsten Tag brennt kein Wald, und wir kommen gut nach L.A. und in die Kanzlei. Er nimmt unseren Fall an, aber ein bisschen was müsse er auch berechnen. Hier gehe das nach dem Prinzip „gestaffelte Flat-Rate“. Bringt er die Sache ohne Erscheinen (seines, als unser Rechtsbeistand) vor Gericht ins Reine, beläuft sich das auf sagenhafte $800. Zahlbar sofort. Travellers Checks werden akzeptiert (Mei, haben wir ein Glück, aber danach auch keine Travellers Checks mehr). Muss er jedoch vor Gericht erscheinen (wie oft spielt hier keine Rolle), werden noch einmal $700 fällig. Eine ganze Menge Geld, bedenkt man, dass wir ja gar nichts falsch gemacht haben.

Stand der Dinge per 24. Oktober ist, dass es nach wie vor ein laufendes Verfahren ist. Wir werden weiter live und ausführlich berichten.

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