Halifax

Von den Ski in den Laster!

11.04.2008 – 20.04.2008

KANADA/USA: DIE OSTKÜSTE, TEIL 1

Über Vail und den Rocky Mountains fegt ein Schneesturm; die letzten Tage hatte es schon fast 50 cm Neuschnee gegeben. Um nach Denver zu kommen, von wo aus unser Flug nach Halifax geht, müssen wir auf der Interstate 70 den Vail Pass (10.662 ft./3.249 m) überwinden, und dieser wird bei zu viel Schnee einfach auf unbestimmte Zeit gesperrt. Aus diesem Grund bzw. wegen dieser Befürchtung verlassen Vail einen Tag früher als geplant, um unseren Flug nicht zu verpassen.

Der Pass ist nicht gesperrt, und wir kommen problemlos nach Denver. Den verbleibenden Nachmittag nutzen wir, um uns die Stadt ein bisschen anzuschauen (bis Dato kannten wir nur den „Denver Clan“ und hoffen, dass sich die daraus bekannten Frisuren nicht gesellschaftlich durchsetzen konnten….). Gemütlich spazieren wir durch Denver Downtown (16th Street ist sogar eine echte Fußgängerzone, in der kleine Elektrobusse auf und ab fahren; von einem dieser geräuschlosen Dinger wären wir auch beinahe über den Haufen gefahren worden) und genießen die Eindrücke einer echten Großstadt und, um ehrlich zu sein, auch, dass es hier schneefrei ist.
Unser erstes Ziel ist das Denver Art Museum (DAM): 2006 wurde der von Daniel Libeskind gestaltete Erweiterungsbau des DAM eröffnet. Bereits 1971 gelang es der Stadt Denver, mit dem Architekten Gio Ponti und den ansässigen James Sudler Associates ein für die damalige Zeit herausragendes Museumskonzept („More than a million reflective glass tiles on the building’s exterior complement the dramatic windows and pierced roofline of the building’s castle-like facade. ‘Art is a treasure, and these thin but jealous walls defend it’, said Gio Ponti” – Quelle: denverartmuseum.org) zu schaffen. Daniel Libeskind hat dies in unglaublich futuristischer, konsequenter und beeindruckender Weise fortgesetzt. In seinem außen mit Aluminium verkleideten Gebäude verliert sich das Auge in den unzähligen Ecken, Kanten, Treppen, Lichtöffnungen und asymmetrischen Räumen und Foyers.
Am Abend gehen wir dann noch schön ins Kino, und das war es dann mit Denver (und wir haben keine einzige Denver Clan-Frisur gesehen).

Die Idee, früh am Flughafen zu sein, zahlt sich aus. Mit unserem „minimalen“ Übergepäck halten wir die Dame des Check-in für gute 90 Minuten bei schlechter Laune, und nach unzähligem Umpacken (keine einzelne Tasche darf mehr als 70 lbs. wiegen) ist alles aufs Gramm genau verteilt. Wir müssen auch „nur“ für das Übergepäck zahlen und dürfen uns glücklich schätzen, dass United Airlines unser Gepäck überhaupt mitnimmt (ja, das hat die liebreizende Dame echt gesagt). Was dann aber an der Sicherheitskontrolle kommt, würde hier den Rahmen sprengen. Es sei nur so viel gesagt: wir haben den Flug geschafft, und Denver Airport hat uns geschafft.

Später als geplant kommen wir, um eine wunderbar gepackte Tasche leichter (die kommt am nächsten Tag), in Halifax an. Auch hier wieder ein Riesen-Hickhack am Zoll, aber glücklich und müde schaffen wir es ins Hotel. In Halifax ist es kalt und windig. Voller Tatendrang machen wir uns am nächsten Tag an die Erkundung der Stadt. Da der Winter ungewöhnlich hart und lang war, ist leider fast alles geschlossen. Schade. Wir besichtigen das kleine und unscheinbare „Maritime Museum of the Atlantic“ und lernen viel über die Schifffahrt im hohen Norden. Eine Sektion des Museums widmet sich der Halifax Explosion vom 6. Dezember 1917. An diesem Tag kollidierte der französische Munitionsfrachter „Mont Blan“c mit der aus Norwegen stammenden „Imo“ im Hafen. Die „Mont Blanc“ geriet in Brand, trieb besatzungslos (die Besatzung hatte sich gerettet, aber niemanden über die gefährliche, in Brand geratene Fracht informiert) an einen Pier im Stadtzentrum und explodierte kurz darauf. Mindestens 1.600 Personen, hauptsächlich schaulustige Kinder und Frauen, wurden getötet und weitere Tausende verletzt. Die gewaltige Explosion zerstörte große Teile der Innenstadt; eine Flutwelle tat ihr Übriges. Trümmerteile der „Mont Blanc“, teilweise 500 kg schwer, wurden bis zu 5 km von der Unglücksstelle entfernt gefunden. Es handelte sich um eine der heftigsten nicht-nuklearen Explosionen der Geschichte.

Der nächste Tag ist der große Tag. Wir wollen unser Auto abholen! (Inzwischen sind wir, entgegen allen Schwüren, nie einem Auto einen Namen zu geben, dazu übergegangen, nur noch von „Knut“ und nicht mehr vonunserem Auto zu sprechen.) Mit allen notwendigen Papieren bewaffnet, machen wir uns früh am Tag auf den Weg zur Spedition. Dort erfahren wir, dass Knut noch nicht vom Zoll freigegeben sei. Wir sollten uns doch gegen Mittag noch einmal melden, vielleicht wisse man dann mehr. (Man entlässt uns, aber nicht ohne uns zu sagen, dass ein anderesPaar vergangene Woche geschlagene drei Tage auf diese Freigabe vom Zoll habe warten müssen – Hurra!). Niedergeschlagen bummeln wir durch Halifax. Was sollen wir denn hier drei Tage machen? Punkt 12 Uhr melden wir uns wieder. Wir hoffen und werden enttäuscht: Man bittet uns, um 15 Uhr erneut anzurufen.

Um 15 Uhr sind die Papiere da! Um 15:45 Uhr halten wir diese in Händen, und im Eiltempo machen wir uns auf zum Zoll. Wir hoffen, den ersehnten Stempel ohne große Probleme zu bekommen. Zu unserer Überraschung dauert es keine zwei Minuten, und der Stempel ist da, wo er hin soll. Mit dem Taxi und der Bitte, schnell zu fahren, geht es zum Hafen. 0007Am Tor müssen wir unseren ganzen Charme spielen lassen, um noch Einlass gewährt zu bekommen; schließlich ist ja gleich Feierabend. Ein paar Zettel ausfüllen, und dann ist es so weit: Wir werden zu Knut gebracht. Da steht er. Alles hat also geklappt, und er ist unbeschadet angekommen. Überglücklich klettern wir auf den Bock und fahren aus dem Hafen Richtung Hotel.

Unser Auto ist ab jetzt DER Hingucker schlechthin, und wir müssen viele neugierige Fragen beantworten.

Nun gilt es eine Grundsatzentscheidung zu treffen: Wo fahren wir zunächst hin? Nun mögen Sie sich, geschätzter Leser, zu Recht sagen: die planen die Reise monatelang und haben schon am Start keine Ahnung, wo es hin gehen soll! Das kann ja heiter werden…
Uns war immer klar, dass wir recht früh im Jahr in Kanadas Norden unterwegs sein würden. Was wir jedoch nicht wussten (und auch nicht planen konnten), waren die Auswirkungen des überdurchschnittlich harten Winters. Es ist einfach noch alles zu (sogar der ca. 500m x 500m messende Stadtpark im Zentrum von Halifax öffnet 2008 erst im Mai), und das beinhaltet Nationalparks, Campingplätze, Museen etc., einfach alles!

Was also tun? Mit dem eigenen Auto ist man ja gleich viel flexibler, und so beschließen wir, die Wochen bis Kanada „öffnet“, in Florida zu verbringen. Dieser ungeplante Abstecher bedeutet für uns ca. 2.189 Meilen (3.540 km) Highway einfach. Wir kalkulieren mit maximal vier Tagen. Alle links und rechts liegen gelassenen landschaftlichen Schönheiten und Sehenswürdigkeiten wollen wir auf der Rückfahrt besichtigen.

0013Nach zwei ereignislosen Tagen und ca. 25 Stunden reiner Fahrzeit hinter dem Steuer (mit einer Übernachtung im Motel in the middle of nowhere) erreichen wir Philadelphia. An den beiden Tage ist wirklich nicht viel passiert. Wir wollen Ihnen aber nicht die Ereignisse und Kuriositäten an der kanadisch-amerikanischen Staatsgrenze vorenthalten: dass wir natürlich nicht einfach durchfahren können, war uns klar. Aber dass Officer Black (Name von der Redaktion geändert; man weiß ja nie…) seinen schlechten Tag hat….
Der Reihe nach. Nach den üblichen Fragen zu Alkohol, Drogen, illegalen Einwanderern im Kofferraum, kubanischen Zigarren etc. müssen wir unsere Bargeldbestände deklarieren. Diese Arbeit darf ein in allen Belangen Homer Simpson sehr ähnlicher Beamter vornehmen. Nach viermaligem Zählen können wir uns auf eine Summe einigen. Nun gut. Da wir uns entschieden haben, dass jeder sein Teil des Leides an der Grenze zu tragen hat, ist es Tinas Job, sich um die Bargelddeklaration zu kümmern. Nachdem es Officer „Homer Simpson“ nach ca. 12 Minuten gelingt, ein DIN A4 Standardformular auszufüllen, sind Tinas Nachname und Ausstellungsort der Passes auf einmal identisch. Tina München. Da kann doch etwas nicht stimmen. „Is your family name really Muenchen?“ Wir staunen. Warum bestanden die Amerikaner denn auf dem maschinenlesbaren Pass? Vielleicht, um genau so eine Situation zu vermeiden. Nun ist der Pass maschinenlesbar, aber scheinbar nicht mehr menschenlesbar. Irgendwann ist auch dieses Prozedere geschafft und wir werden entlassen. Fast. Zum Abschluss müssen wir noch in eine Halle fahren, in der ein riesiges Röntgengerät steht. Nach einem kurzen Blick auf unser Münchner Nummernschild wird uns von einem (diesmal) netten Officer erklärt, wie so was hier funktioniert: Mit genau 5 MPH durchfahren und auf sein Geheiß stoppen. Machen wir. Klappt auch gut. Und wieder werden wir gebeten, rechts ran zu fahren. Wir warten gespannt, was es denn diesmal sein könnte. Der Officer fragt uns, ob wir ein Tier dabei hätten. Nein. Sicher nicht? Nein, und wir sagen wirklich die Wahrheit. Der Officer stellt uns nun vor vollendete Tatsachen: Doch, wir hätten ein Tier dabei. Und zwar einen Vogel. Wir haben zwar keinen dabei, langsam jedoch bekommen wir einen. Der Officer macht sich also auf die Suche. Er ist sich sicher, auf dem Röntgenbild einen Vogel erkannt zu haben. Auf unsere Frage, ob wir denn das Bild mal sehen dürften, um bei der Suche nach dem Tier helfen zu können, erfahren wir, dass diese Bilder „top secret“ seien, sonst wüsste ja jeder (er meinte sicher vermeintliche Terroristen), wonach dieses Röntgengerät sucht. Nach einigem Hin und Her erscheint der Officer mit einem strahlenden Gesicht und eröffnet uns, er habe das Bild nun mit dem Computer vergrößert, und der Vogel sei kein Vogel. Nein, wir glauben es kaum; ja was denn dann? Es ist Tischkante samt Tischfuß, halt einfach sehr klein dargestellt. Zur Veranschaulichung dürfen wir ausnahmsweise einen Blick auf das eben noch „top secret“ Bild werfen. Endlich dürfen wir weiter. Im Auto lachen wir noch lange und gut und überlegen uns schon einen Namen für unseren „Vogel“.
Zurück nach Philadelphia. Wir beschließen, zwei Nächte zu bleiben und lernen zum ersten Mal, was es bedeutet, mit diesem Monster einen Parkplatz in einer amerikanischen Großstadt zu suchen und zu finden.

0014Philadelphia ist der erste Ort auf unserer Reise, der es auf unsere Liste der Orte, an welchen wir uns vorstellen könnten zu bleiben, schafft. Philadelphia hat das besondere Etwas. Ähnlich wie New York, aber deutlich entspannter, gemütlicher und kleiner (obwohl es immer noch die fünftgrößte Stadt der USA ist). Philadelphia ist die Wiege der amerikanischen Nation. Hier wurde am 4. Juli 1776 die Declaration of Independence erklärt, verfasst und unterschrieben. Elf Jahre später, am 17. September 1887, wurde an gleicher Stelle, der Independence Hall, die erste amerikanische Verfassung verabschiedet. Heute ist das Gebiet, auf dem die entsprechenden Museen, historischen Gebäude und zahlreiche Denkmäler stehen, unter dem Begriff „die historische Meile“ zusammen gefasst und das Ziel unzähliger Schulklassen. Wir sind nun schon sehr weit südlich, es hat angenehme 25°C und es ist schön, endlich mal aus den Winterjacken zu kommen. Wir laufen noch sehr viel in der Stadt herum, schauen und genießen.

Nächster Tag, nächster Highway. Gemütlich fahren wir mit knapp 98 km/h und haben Zeit, die sich ständig verändernde Landschaft anzuschauen. Alles wird grüner, die Bäume schlagen aus, Blumen blühen. Florida, wir kommen. Wir kommen bis Raleigh/North Carolina. Das Wetter ist traumhaft, und wir rufen uns in den Sinn, dass wir ja eigentlich Zeit haben. Wir bleiben zwei Tage, räumen Knut um und ein, packen endgültig alles aus, basteln am Auto und lassen uns ein bisschen baumeln. Am nächsten Morgen geht es weiter. Noch eine Mammut-Strecke, dann sind wir in Florida. Ab dann, und das haben wir uns versprochen, fahren wir nur noch kleine, gemütliche Etappen.

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