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Vulkane, Giganten und The Big Red!

01.09.2008 – 10.09.2008

USA: DIE WESTKÜSTE, TEIL 2

Langsam aber sicher gewöhnen wir uns wieder daran, den Schildern „South“ zu folgen. Nach Wochen der Kälte und herbstlichen Wetters hoffen wir, auf dem Thermometer einen Aufwärtstrend beobachten zu können. Mal ganz ehrlich: seit wir am 15. April in Halifax losgefahren sind, haben wir im Grunde – Florida ausgenommen – den längsten Herbst unseres Lebens erlebt. Es scheint, als reise das schlechte Wetter mit uns …

Sonntage, Intelligenz und Pornodarsteller

Nach einer kurzen, ereignislosen Fahrt erreichen wir Portland. Früher als gedacht. Warum? Eigentlich wollten wir auf der Fahrt noch den berüchtigten Vulkan Mt. St. Helens besuchen. Leider ist der Berg in dicke, graue Wolken gehüllt. Auch viel gutes Zureden und Hoffen helfen nichts, der Berg bleibt verhüllt. Wir werden wieder kommen, in ein paar Tagen und wehe…. Schließlich haben wir uns so auf den Vulkan gefreut.

Wie so oft ist es Sonntag und alles wie ausgestorben, wenn wir in einer Stadt ankommen. Böse Zungen könnten behaupten, dies sei schlechte Planung. Ist es aber nicht. Nach inzwischen fast sechs Monaten „Erfahrung Nordamerikas“ haben wir das Gefühl für Tage verloren. Jeder ist ereignisreich, voll mit Neuem, Aufregendem, manchmal auch Frustrierendem. Egal ob Montag, Samstag, Dienstag oder Mittwoch. Aber eben immer anders. Keine Routine, kein Alltag.

Das in den USA sehr angesehene Magazin „Leisure & Travel“ bringt in seiner neuen Ausgabe ein aktuelles Städteranking: bei den attraktivsten Bewohnern schafft es Portland gerade mal auf Platz 13 (Platz 1 geht an Miami), in Sachen Intelligenz schaut es mit dem vierten Platz schon besser für Portland aus (Verlierer ist hier auf dem letzten Platz Los Angeles). Siegreich ist Portland in den Bereichen Sauberkeit, Umweltbewusstsein, öffentliche Parks, öffentlicher Nahverkehr und Sicherheit. Erwähnenswert scheint noch die so genannte Kategorie „People watching“ (ja, das scheint in den USA ein echtes Qualitätsmerkmal einer Stadt zu sein): Portland schafft es hier auf einen erstaunlichen 13. Platz. Gewinner in dieser Kategorie ist New York City, absoluter Verlierer auf dem letzten Platz ist Dallas/Fort Worth. Kein Wunder, ist ja der Sänger Meat Loaf ein Kind und Einwohner der Stadt. Bei unserer Recherche über die verdienten Einwohner von Dallas hat uns eines doch sehr erstaunt: auf dieser Liste stehen neben Meat Loaf, Melinda Gates und vielen anderen Prominenten auch zwei Pornodarsteller. Naja, scheinen stadtbekannte „Größen“ zu sein!

Zurück nach Portland. Hier kommen anständige Leute her: Matt Groening (Erfinder der Simpsons), Mark Rothko oder Philip Knight (Gründer und Vorstandsvorsitzender von Nike).

Portland, the City of Roses

Fast alle Reiseführer sind sich einig, dass es in dieser Stadt eigentlich nicht viel zu unternehmen gibt. Obwohl Selbiges auch schon das eine oder andere Buch über Seattle gesagt hat, lassen wir uns davon nicht beeinflussen und starten los.

Abgesehen von „City of Roses“ trägt Portland auch noch so manch andern Beinamen: „Bridgetown“ (es gibt insgesamt 14 Brücken über den Columbia River und den Willamette River), „Beervana“ oder „Brewtopia“ (es gibt viele kleine Brauerein und wahrscheinlich entsprechend viele Biertrinker). Auch die Geschichte, wie Portland zu seinem Namen gekommen ist, ist nett: Wie überall kamen irgendwann die europäischen Siedler, vertrieben die Indianer, bauten eine Kirche und so weiter und so weiter. Ab einem gewissen Zeitpunkt war die Siedlung dann so groß, dass ein Name dafür gefunden werden musste. Nun war die Stadt von zwei Pionieren gegründet worden, Lovejoy (kein Pornodarsteller, auch wenn der Name dies implizieren könnte) und Pettygrove. Lovejoy aus Massachusetts wollte die Stadt nach seiner Heimat Boston benennen, Pettygrove (aus Maine) favorisierte den Namen Portland. Da sich die beiden nicht einigen konnten und „Bosland“ oder „Porton“ auch irgendwie blöd klangen, entschied man sich, die Münze zu werfen. Der Rest ist Geschichte.

Sicher, es gibt einige Sehenswürdigkeiten, aber der besondere Charme von Portland sind seine verschiedenen Stadtteile. Das ehemalige Brauereiviertel „The Pearl District“ ist heute modern renoviert, hat coole Läden, nette Lokale, trendige Bars und ist voll mit buntem Treiben auf den Straßen. Downtown ist Downtown mit seinen üblichen Wolkenkratzern, Bürotürmen, Banken, Geschäften und wie fast immer mit einer City Hall im Renaissance Revival Style (ohne geht es irgendwie nicht). Auch wenn die Stadt mit 450.000 Einwohnern eher klein ist, ist es doch obligatorisch irgendetwas zu besitzen, was größer (oder wenigstens sehr groß ist) als irgendwo anders in diesem Land. Im Falle von Portland ist das „Portlandia“: die zweitgrößte, aus Kupfer geklopfte Statue der Welt. Nur die Freiheitsstatue in New York ist größer. Nur ist die Freiheitsstatue ein echter Hinkucker, Portlandia ist da schon leichter zu übersehen, wie sie auf einem Balkon steht und ein mistgabelähnliches Etwas in die Lüfte streckt. Auch wir sind des Öfteren daran vorbei gelaufen und schafften es erst nach mehrmaligem Nachlesen, diese „Kupferschönheit“ zu erspähen.

Manchmal muss es aber nicht groß sein. Dann tut es auch etwas ganz, ganz kleines, um seinen Platz im Guinness-Rekord-Register zu bekommen: ein Stadtpark. Das ist kein Scherz. Der kleinste, öffentliche Stadtpark findet sich – wenn auch nur schwer – in Portland. Dieser nennt sich Mill Ends Park, ist rund und hat einen Durchmesser von ca. 60 cm. Malerisch auf einer Straßeninsel gelegen, ist es ein kleines Bäumchen, das dort diesen Titel trägt. Nun war Portlandia groß, und sie haben wir schon schwer gefunden, da konnte es bei diesem Mikropark ja nur noch schwieriger werden. Aber unsere Mühe wurde schließlich belohnt, und wir hatten viel Spaß dabei, mit einem einzigen Schritte einen ganzen Park zu durchschreiten. Effektives Sightseeing.

Insgesamt gibt es in Portland 160 Parks. Zugegeben, wären alle so winzig, wäre das auch kein Kunststück. Alle anderen verdienen die Bezeichnung „Park“ und machen die Stadt somit zu einer sehr grünen Stadt. Unter all diesen Parks sind drei besonders herausragend: der Chinese Garden, der Rose Garden und der Japanese Garden. Der Chinese Garden, in seiner Größe überschaubar, ist wunderbar und eine Oase der Ruhe und Exotik. Auf einem ehemaligen Parkplatz haben 60 chinesische Gartenbauer den größten Suzhou- (Stadt in der Provinz Jiangsu an der Ostküste Chinas) Garten außerhalb Chinas geschaffen. Dafür wurden über 500 t Steine aus Suzhou angekarrt, jeder hat angeblich seine eigene, spirituelle Bedeutung. Es gibt viele kleine Brückchen, Seen, Wasserfälle und herrliche Seerosen. Eine schöne und wohltuende Abwechslung.

Der Rosengarten ist ein Traum von Farbe und Duft. Mehr als 10.000 Rosenbüsche (400 verschieden Rosenarten) geben der Luft einen Duft wie aus 1001 Nacht. Die meisten Büsche sind noch voll kräftiger, strahlender Blüten. Dieser Garten ist ein absoluter Genuss für die Sinne. Ewig schlendern wir zwischen den Rosenbüschen hindurch, stecken unsere Nasen in dicke Blüten (wobei wir hoffen, dass keine Biene oder Wespe drin ist und uns pikst) und finden sogar eine Helmut-Schmidt Rose.

Der Japanische Garten ist mit seiner Schlichtheit, Eleganz und Gefälligkeit der absolute Gegensatz. Auf ca. 2,5 Hektar haben japanische Gartenmeister den größten und authentischsten Japanischen Garten außerhalb Japans geschaffen. Fast meint man, in Japan angekommen zu sein. Insgesamt gibt es dort fünf „Themen“: den Teichgarten, den Teegarten, den natürlichen Garten, den Sandgarten und natürlich einen Steingarten. Das Teehaus wurde extra für diesen Park in Japan gebaut und nach Portland gebracht. Dieser Garten ist in seiner Anmut und Grazie, gepaart mit umwerfender Schlichtheit und „Natürlichkeit“, eine Reise in eine andere Welt.

Mount St. Helens – der Feuerberg

Schon die letzten Tage haben wir immer wieder über die Webcam am Johnston-Ridge-Observatory das Wetter am Mt. St. Helens beobachtet. Bei unserem ersten Versuch, den Vulkan zu besuchen, hat uns ja der Wettergott den Besuch „verhängt“. Also, auf ein Neues. Zur Abwechslung geht es mal wieder in Richtung Norden. Wir sind früh unterwegs, die Webcam hat strahlend blauen Himmel gezeigt, und somit sind wir guter Dinge, diesmal den Berg zu Gesicht zu bekommen.

Man glaubt es kaum, wir kommen am Berg an, und es ist tatsächlich kein einziges Wölkchen weit und breit. Über ein langes Tal hat man vom Visitor Center einen atemberaubenden Blick auf den Vulkan. Kurzerhand beschließen wir, die letzten 50 Meilen zu dem dem Krater am nächsten liegenden Aussichtspunkt nicht zu fahren, sondern einen 22-minütigen Hubschrauberrundflug zu machen. Zusammen mit einem etwas schlecht gelaunten amerikanischen Pärchen mittleren bis gehobenen Alters (dank Botox und Faltenwegmachdoktoren ist das wirkliche Alter bei der Frau schwer zu schätzen) machen wir uns auf den Weg. Da die Sitzverteilung im Heli leider – ode besser Gott se Dank – nicht nach dem Wunschprinzip, sondern nach idealer Gewichtsverteilung erfolgt, haben die beiden auch noch Pech. Frau hinten in die Mitte (der Schwerpunkt sollte in der Mitte sein!).Tina darf vorne neben dem Piloten sitzen.

Der Flug führt uns über eine apokalyptisch anmutende Landschaft bis fast direkt in den Krater. Als der Vulkan am 18. Mai 1980 um 8:32 Uhr ausbrach, tat sich ein 1,6 x 3 km großer Krater auf. 415 Höhenmeter des Berges wurden einfach weggesprengt; war der Berg vor dem Ausbruch 2.950 m hoch, so hat er heute nur noch eine Höhe von 2.549 m. Asche- und Gaswolken wurden sagenhafte 18 km hoch in die Luft geschleudert; im Umkreis von fast 30 km wurde allein durch die enorme Druckwelle alles dem Erdboden gleich gemacht. Ein Magma- und Dreckgemisch schoss 640°C heiß mit einer Geschwindigkeit von 400 km/h bergab und vernichtete alles, was sich ihm in den Weg stellte. In der Umgebung erlosch alles Leben, für Tage und Wochen war der Vulkan aktiv. Erst 1982 konnte wieder eine Forschungsstation in Betrieb genommen werden, und 1984 kam der Vulkan schließlich zur Ruhe. Seitdem gab es immer wieder kleine und mittelgroße Ausbrüche, jedes Mal jedoch ohne Schäden für Mensch oder Natur.

Inzwischen haben die Verantwortlichen unter enormen Anstrengungen wieder Wälder aufforsten lassen, Flüsse sind in ihre Betten zurückgekehrt, Tiere sind zurückgekommen, und es scheint, als sei nie etwas passiert. Nur sehr, sehr nahe am Krater bekommt man noch einen Eindruck, wie es hier 1980 direkt nach dem Ausbruch ausgesehen haben muss.

Der Flug über den Vulkan und dessen Ausläufer zeigt uns eine bisher unbekannte Landschaft: zerklüftet, rau, grau und unwirklich. Es sieht aus wie bei einem Flug über den Mond. Auch heute noch ist das Überfliegen des Kraters verboten, deshalb kann man „nur“ durch die weggesprengte Nordflanke in den Krater sehen. Es ist einfach beeindruckend. So nah an einem Vulkan, der jeden Moment wieder ausbrechen kann, ist beängstigend und faszinierend zugleich.

Columbia River – ein Fahrt entlang einem einzigartigen Flusssystem

In unserem Iwanowski Reiseführer sind es auf Seite 632 gerade mal sieben Zeilen. Mit diesen sieben Zeilen sind wir fast den ganzen Tag unterwegs. Ein weiteres Mal stellen wir fest, dass es gerade diese wenig spektakulär klingenden „Sehenswürdigkeiten“ sind, die etwas Besonderes haben, abseits der ausgetrampelten Touristenpfade.

Der Columbia River ist die Grenze zwischen den Bundesstaaten Washington (im Norden) und Oregon (im Süden). Südlich der Grenze, auf der Oregonseite, geht es über eine wunderbare und schwer zu findende Straße, den Columbia-River-Scenic-Highway, durch Wälder am Columbia River entlang. Oft bieten sich fantastische Ausblicke über den Fluss und die Berge. An vielen Orten lichtet sich der Wald und gibt den Blick auf den 3.427 m hohen Mt. Hood frei. Ebenso wie der Mt. St. Helens ist der Mt. Hood ein Vulkan. Die Spitze ist schneebedeckt, während im Tal, entlang dem Fluss, fast sommerliche Temperaturen herrschen. Am Wegrand finden sich zahlreiche Wasserfälle, an denen der Columbia River unter ohrenbetäubendem Getose mit Frischwasser versorgt wird. Der sicherlich bekannteste, weil höchste Wasserfall ist der Multnohma Wasserfall (die richtige Aussprache des Namens ist und bleibt uns ein Rätsel). Das Wasser des Multnohma Falls stürzt 189 m in die Tiefe. Über einen kurzen Wanderweg gelangt man zu einer kleinen Brücke, die direkt vor dem Wasserfall einen tiefen Schlund überquert. Von hier bieten sich zur einen Seite fantastische Ausblicke über den Fluss und auf der anderen Seite den Wasserfall hinauf und hinab.

Die kleine, kurvenreiche Straße entlang dem Columbia-River ist herrlich, und zahlreiche Aussichtspunkte entlang dem Weg machen ein Vorwärtskommen schwierig. Zu oft bleiben wir stehen, schauen und genießen.

Im Örtchen Hood River überspannt eine 1.347 Meter lange Brücke den Columbia-River. Auch wir überqueren an dieser Stelle den Fluss. Die Brücke ist furchtbar eng, und es ist Millimeterarbeit, unser Monster darüber zu chauffieren. Hinzu kommt noch, dass das Geländer nicht gerade hoch ist. Einem normalen Autofahrer mag das nicht ins Auge stechen; wir aber, in luftigen Höhen sitzend, sehen das Geländer kaum, es ist auch nicht viel höher als eine besonders niedrige Leitplanke in Deutschland. Und besonders stabil schaut das Ganze auch nicht aus. Oft ist der Ausblick von so hoch oben herrlich, es gibt aber auch Situationen, das säße man lieber auf VW Golf-Höhe.

Nach dem einen oder andern Schweißtropfen erreichen wir wohlbehalten die drübere Seite, und es geht zurück nach Portland. Auch diese Seite des Flusses ist ein echtes Erlebnis, der Fluss oft so breit, dass man glauben könnte, es sei ein langer See. Die Straße bietet ebenso herrliche Ausblicke. Wir genießen es, fahren langsam und halten somit den Verkehr auf. Uns ist das heute mal egal.

Cannon Beach, Felsen und viel Nebel

Von Portland geht es in westlicher Richtung entlang dem Columbia-River an die Pazifikküste. Über die Küste von Oregon haben wir viel gelesen und noch mehr gehört. Von sagenhaft über unbeschreiblich bis zu absolut fantastisch. Wir sind gespannt. Bei Astoria, an der Mündung des Columbia Rivers, ist es so weit. Der Pazifik liegt nicht mehr vor uns, sondern nun rechter Hand. Und so wird es auch noch lange, sehr lange bleiben. Wir sind jetzt auf dem Highway 101, so heißt der legendäre Highway 1 hier oben im Norden. Alle Adjektive, die wir bisher gehört haben, die Küste zu beschreiben, treffen es nicht wirklich.

In der Nähe von Cannon Beach fahren wir in den Ecola-State-Park mit Panoramablick die Küste entlang. Vor uns liegt eine Küstenlandschaft, wie wir sie noch nie gesehen haben. Vom Wasser kommt ein leichter Nebel, an dem 11,2 km langen Strand wirken Menschen wie Sandflöhe, die aufgeregt umherrennen, um keine nassen Füße zu bekommen. Die Brandung geht Hunderte von Metern auf das offene Meer hinaus. Vereinzelt sind der Küste winzig wirkende, in Wirklichkeit jedoch riesige Felsbrocken vorgelagert. Manche dieser Brocken kommen einem vor wie an den Strand gespülte Steine. Der bekannteste, der Haystack Rock, ist bei Ebbe trockenen Fußes zu erreichen. Angeblich ist er auch recht einfach zu erklimmen; viele Hobbykletterer schaffen es jedoch nicht rauf und runter während der kurzen Zeit der Ebbe und müssen dann von der Küstenwache per Helikopter geborgen werden. Wir bleiben da lieber am Strand und gehen ihn auf seiner ganzen Länge, also fast 23 km, ab. Es ist herrlich. Unser Adjektiv für diese Landschaft ist: dramatisch! Klippen, Hunderte Meter hoch, Wellen und ein tosendes Meer schaffen eine Landschaft von eben dramatischer Schönheit, geformt über Jahrmillionen von einer so gewaltigen Natur, dass man sich als Mensch klein und schwach in deren Mitte vorkommt.

Ein steter Begleiter an der Küste ist der Nebel. Da es im Landesinneren, bereits schon gute 30 km von der Küste entfernt, sehr warm ist, bilden sich an der Küste dicke, undurchdringliche, kalte Nebel. An manchen Stellen reißt er auf, und vor uns liegt die gesamte Küste in einem wunderbaren Blau. Die Temperaturunterschiede zwischen Nebel und Sonne sind beachtlich: hat es im Nebel gerade mal schlappe 12°C, werden es, sobald die Sonne Oberhand gewinnt, schnell an die 25°C. Leider gewinnt die Sonne nicht allzu oft.

Die Oregon Dunes, eine Mini-Sahara am Wegesrand

Mit diesen wechselnden Aussichten geht es auf dieser Traumstraße weiter Richtung Süden. Orte wie Florence, Tillamook oder Seaside liegen auf der Strecke. Allesamt sind es kleine Fischerstädte mit nettem Charme, die es wert sind, sich ab und zu die Beine zu vertreten. Hinter Florence wartet eine besondere, untypische Landschaft. Die Klippen verschwinden, und es öffnet sich eine über 50 Meilen erstreckende Dünenlandschaft, die Oregon Dunes zu unserer Rechten. Wäre es ein klein bisschen wärmer, man könnte glauben, in der Sahara zu sein.

Teils erheben sich die Dünen bis zu einer Höhe von 120 Metern. Zum großen Teil stehen die Dünen unter Naturschutz, und eine Erkundung ist nur zu Fuß erlaubt. An anderen Stellen aber sind die Dünen „public property“, und somit darf man mit jedwedem Gefährt die Dünen erkunden. Reizen würde es uns schon, dies mit unserem Laster zu machen, aber wenn wir ohne geeignetes Begleitfahrzeug stecken bleiben, ja dann, dann müssten wir schaufeln wie die Wilden, um die 10 Tonnen wieder auszugraben. So entschließen wir uns, ein kleines ATV (All Terrain Vehicle) zu mieten. Die Dinger machen einen unheimlichen Krach, aber eben auch ein irres Vergnügen sie zu fahren. Wie die Bekloppten donnern wir mit Vollgas durch die Dünen (bleiben auch mal stecken), schießen steile Sandwände nach oben und unter lautem Geschrei wieder nach unten. Insgesamt eine Stunde machen wir so die Dünen unsicher und haben sehr viel Spaß dabei.

Weiter geht es, wieder entlang und oberhalb der Klippen. Die Schroffheit und Dramatik der Küste lässt nie nach. Die Straße windet sich teilweise in schwindelerregender Höhe die Küste entlang. Meist gibt es nicht einmal eine Mauer oder Leitplanke, und kommen dann lebensmüde Camperfreunde in ihren Schlachtschiffen entgegen, kann es schon mal eng werden.

Eine Palme, der höchste Baum der Welt und Redwoods

Am nächsten Tag ist es so weit. Seit Tausenden von Kilometern warten wir darauf und dann hätten wir sie beinahen übersehen: am 7. September um genau 16.34 Uhr passieren wir die erste Palme! Die erste Palme seit Florida! Und jeder weiß, Palmen wachsen nur da, wo‘s warm ist. Aber scheinbar gibt es auch Kaltwetterpalmen. Denn warm ist es hier nicht.
Und noch ein Highlight: 176 Minuten später, um 16.20 Uhr, passieren wir die Grenze zu Kalifornien! “…it never rains in southern California…“ sang schon 1972 der langhaarige Albert Hammond. Hoffentlich hat er recht…

Vor uns liegt mal wieder Wald, Nadelwald. Aber was für einer. Der Redwood Nationalpark. In diesem Nationalpark steht dann auch der höchste Baum der Welt. 112 Meter ist der hoch! Diese Bäume haben sich seit jeher großer Beliebtheit bei der holzverarbeitenden Industrie erfreut. Der Grund hierfür ist einfach: Redwoods wachsen schnurgerade. Somit ist eine optimale Nutzung möglich. Für die Indianer in dieser Region hatten diese Bäume keine Bedeutung, sie waren einfach da. Schon immer. Das sollte sich mit der Ankunft der Siedler ändern. Um den enormen Bedarf an Bauholz stillen zu können, wurden fast 95% der Redwoods gefällt. Früher reichten dichte Redwoodwälder von Oregon bis Südkalifornien. Heutzutage gibt es nur noch den verhältnismäßig kleinen Nationalpark und einen zweiten State Park weiter südlich, wo noch derartige Bäume stehen.

Es gibt zwei Arten von diesen Mammutbäumen: Küstenredwoods wachsen, wie der Name schon sagt, auf einem dünnen Küstenstreifen, erreichen eine Höhe von bis zu 112 m, einen Stammumfang am Boden von 6,6 m und werden sagenhafte 2.000 Jahre alt. Riesensequoien, beheimatet im Landesinneren, erreichen eine Höhe von „nur“ 94 m. Dafür haben sie fast den doppelten Stammumfang (12 m) und erreichen das biblische Alter von 3.500 Jahren.

Auf mehreren engen und dunklen Straßen kann man diese Wälder erkunden. Besser noch natürlich auf den unzähligen Wanderwegen, die die Wälder durchziehen. Wir sind von der unglaublichen Größe und Dicke dieser Bäume überwältigt. Und dass uns beiden nach 17.000 km Nadelwald wieder ein Nadelbaum begeistern kann – wir hätten es selbst nicht für möglich gehalten. Auf Wegen kann man zu Fuß tief in die Wälder vordringen. Wir finden umgestürzte Redwoods, deren nun in die Lüfte ragender Wurzelstock schon die Höhe eines normalen Einfamilienhauses hat. Die Stämme sind so dick, dass wir, wenn wir uns die Hände reichen und uns ganz, ganz weit auseinander stellen, nicht einmal den Durchmesser erreichen. Kirchturmgleich ragen die Bäume in den Himmel, so gerade, als seien sie von Menschenhand geschaffen.

Diese Bäume sind gigantisch, und wir stellen uns einen dieser Giganten auf dem Münchener Marienplatz als Weihnachtsbaum vor; er würde die Türme der Frauenkirche (98,57 bzw. 98,54 m hoch) überragen.

Ganz findige Geschäftsleute haben die Redwoods auch touristisch erschlossen. So gibt es zwei „Drive-Thru-Trees“. Eigentlich ist es eine Schande, aber es erfreut sich scheinbar großer Beliebtheit. Und irgendwie ist es ja auch ganz lustig. Einer der beiden Bäume ist eh nur noch ein eher unscheinbarer, ca. 30 m hoher Stumpf. Da darf man dann also durchfahren und „lustige“ Fotos machen. Die Durchfahrtshöhe und -Breite ist aber eher was für kleine japanische Autos. Schon bei der bloßen Annäherung an die entsprechende Straße (und wir wussten, dass wir nicht durch passen werden) kommt eine heftig mit den Armen fuchtelnde Dame aus ihrem Kassenhäuschen (ja, das kostet) gestürmt und wirft sich panisch fast vor unser Auto. Wahrscheinlich hat die Dame Angst, wir würden den Redwood und folglich ihre Einnahmequelle mit unserem Ungetüm einfach umfahren. Hätten wir natürlich nie getan.

James Dean, „The Birds“ und die Golden Gate Bridge

Nach diesen sagenhaften Bäumen und der Durchquerung des südlichen Parks auf der „Avenue of the Giants“ geht es weiter, immer nach Süden.
Mendocino, dieser kleine und malerische Ort, ist sicher einigen aus dem Fernsehen bekannt. Klassiker wie „Jenseits von Eden“ mit James Dean, Karate Kid oder „Mord ist ihr Hobby“ wurden hier gedreht. Mendocino ist auch heute noch ein sehr nettes, kleines Städtchen, mit vielen Wassertürmen, viktorianischen Häusern und einem betörendem Charme. Inzwischen leben hier viele Künstler, der Ort strahlt etwas Gemütliches, Lebensfrohes und Kreatives aus. Wir spazieren durch die Straßen und am Steilufer entlang und lassen es uns gut gehen. Kurz darauf legen wir noch einmal eine „Filmpause“ ein: in Bodega stehen wir vor dem bekannten Schulhaus aus Hitchcocks Klassiker „Die Vögel“.

Weiter geht es über das Anderson-Valley nach Sausalito. Das Anderson Valley liegt ca. 13 Meilen landeinwärts und ist ein eher unbekanntes Weinanbaugebiet. Herrliche Pinot Noirs kommen von hier. Selbstverständlich sind sie nicht so bekannt wie die Weine aus dem Nappa Valley. Schlechter sind sie auf keinen Fall. Und Obst gibt es dort. An der Straße stehen kleine Stände, an denen frisches Obst verkauft wird. So gutes und frisches Obst haben wir schon lange nicht mehr gefunden. Wir kaufen uns eine große Tüte voll herrlich grüner, saftiger, neuer Äpfel, fahren gemütlich weiter und kommen am Abend nach Sausalito.

Sausalito liegt direkt unterhalb der Golden Gate Bridge. Ein umwerfender Blick! Klar, wie die Brücke ausschaut, haben wir gewusst, aber dann dort zu sein, davor zu stehen und die Sonne dahinter untergehen zu sehen, ist dann doch etwas anderes. Nun müssen wir nur noch über die Brücke. Denn dahinter wartet nicht nur das Cable Car auf uns…

 

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