Maui

Die Liebliche!

05.12.2008 – 12.12.2008

HAWAII: MAUI

Den Isthmus von Korinth kennt jeder. Dieser verbindet den Peloponnes mit dem griechischen Festland, trennt jedoch den Golf von Korinth vom saronischen. So weit, so gut! Aber der Isthmus von Maui?

Die Insel Maui wird von zwei erloschenen Vulkanen dominiert. Im Osten ist dies der Puu Kukui, im Westen der deutlich jüngere und somit auch viel höhere Haleakala. Puu Kukui war lange, sehr, sehr lange Zeit eine eigenständige Insel, einsam zwischen der Insel Molokai im Westen und der Insel Hawai’i (oder auch Big Island) in Nordosten gelegen. Irgendwann in grauer Vorzeit, lange vor den Dinosauriern, erblickte dann der noch aktive Vulkan Haleakala östlich von Puu Kukui nach Jahrtausenden unter Wasser das Licht der Erde. Haleakala, ein enorm aktiver und produktiver Vulkan, wuchs und wuchs und wuchs. Irgendwann wuchsen die beiden Inseln schließlich zusammen, es entstand eine fruchtbare und topfebene Verbindung. Und eben ein Isthmus, was das griechische Wort für Landbrücke ist. Der Isthmus von Maui war geboren.

Im Land der Mythen und Kane, Ku, Lono und Kanaloa

Für die Polynesier war die Welt gewiss nicht eine wissenschaftliche, geschweige denn eine wissenschaftlich ableitbare. Die Welt um sie herum war das Resultat des Wirkens sagenhafter Götter, unermesslich starker und Wunder wirkender Halbgötter. Das ganze Universum war deren Werk, ein göttliches. Die Götter Kane, Ku, Lono und Kanaloa erschufen die Welt, wie diese sie kannten:

Kane, Gott der Schöpfung, fand einen auf dem Meer treibenden Kürbis und schleuderte diesen hoch in die Lüfte, wo er zerbrach. Ein halbrundes Stück in Form einer Schüssel wurde so zum Himmel. Zwei weitere Stücke, ballförmig, wurden Sonne und Mond. Die unzähligen Samen, inzwischen im freien Fall, fanden ihren Platz in der zuerst abgesprungenen Schüssel. Sie wurden die Sterne. Der klebrige und matschige Rest fiel wieder zurück ins Meer und wurde die Erde. Die Erde und das Universum geschaffen, sagte Kane, dass es nun für die Erde einen Häuptling brauche. Um den Häuptling jedoch ernähren zu können, rief er seine Götterkollegen herbei.

Kanaloa, Gott des weiten und endlosen Meeres, rief: „Ich, Kanaloa, werde das Meer mit Leben füllen. Diese Lebewesen seien zum Nutzen des Häuptlings“. Und so tat er. Das Meer war voll bunter, nahrhafter Fische.

Kane, immer noch für die Schöpfung zuständig, sagte: „Ich werde die Erde mit Leben füllen; mit fliegenden, mit krabbelnden und mit sich bedächtig bewegenden Kreaturen“. Und so tat er.

Ku, der Waldgott, sagte: „Ich, ich werde Bäume wachsen lassen. Diese sollen dem Häuptling das Holz geben, welches er brauchen wird“. Und so tat er.

Lono, Gott der wachsenden Dinge (Bäume scheinbar ausgenommen) sprach: „Ich, ja ich werde Pflanzen zum Genuss des Häuptlings wachsen lassen“. Und so tat er.

Nun war alles bereit für den Häuptling – er musste nur noch erschaffen werden. Nur woraus? Ratlos machten sich die vier Freunde auf die Suche und fanden alsbald wunderbare ockerfarbene Erde. Kane, die Nummer eins der vier, knetete daraus ein kleines Männchen und, stolz auf das Resultat, hauchte er ihm das Leben ein.

Kane sagte: „Nennen wir ihn Mann der roten Erde“. Dieser Mann der roten Erde lief über die frisch geschaffene Welt, aß Fisch, Gemüse und war glücklich. Alles, was er sah, erfreute ihn. Bald bemerkte er, dass ihm, wo immer er auch hinging, jemand folgte. Dieser jemand ruhte, wenn er ruhte, lief, wenn er lief. Überglücklich, nicht alleine zu sein, nannte er diesen jemand Ke Aka oder auch Schatten. Mann der roten Erde sprach zu Ke Aka, sang ihm Lieder vor und lachte mit ihm. Aber Ke Aka antwortete niemals. Kein einziges Mal. Nie. Mann der roten Erde war traurig, sang nicht mehr, redete nicht mehr und lachte auch nicht mehr. Mann der roten Erde war einsam.

Die Götter sahen seine Einsamkeit, seine Traurigkeit und sprachen: „Er braucht einen lebenden Freund“. Als Mann der roten Erde schlief, kam Kane zu Ke Aka und hauchte diesem Leben ein. Als Mann der roten Erde am nächsten Morgen erwachte, sagte er laut und fröhlich: „Was für ein schöner Tag“. Und plötzlich vernahm er hinter sich die Worte: „Ja, ein wunderbarer Tag wird das heute werden“. Mann der roten Erde, vor Freude taumelnd, drehte sich um und sah Ke Aka. Hörte Ke Aka sprechen. Überglücklich fingen die beiden an zu singen. Ihrer beider Gesang war so schön, so wunder-, wunderschön, so liebreizend, und die Vögel kamen aus ihren Bäumen hinunter zu ihnen geflogen, um ihrem Gesang zu lauschen.

Mann der roten Erde sprach: „Du warst mein Schatten, doch nun, wo du lebst, werde ich dich nicht mehr Schatten, sondern mein lebender Schatten nennen“.

Die beiden, Mann der roten Erde und lebender Schatten, knieten zu Boden und dankten Kane, Ku, Lono und Kanaloa. Dankten dafür, dass sie beide lebten und endlich nicht mehr alleine waren…

Mauis wilder Nordwesten

Wenige Minuten mit dem Auto aus der Hotelanlage heraus, und es tut sich eine andere Welt auf. Steile Küsten, tiefblaue Buchten, vom Wind angeschrägte Bäume und Wildnis. Es ist, ja was ist es denn? Langsam, aber sicher gehen uns die Adjektive für diesen Archipel aus. Sagenhaft, umwerfend, einzigartig oder einfach nur herrlich? Sagen-werfend-artig-lich würde es irgendwie beschreiben.

Hawaii, diese vielen Inseln sind alle anders, nie gleich, immer neu. Selbstverständlich sind Flora und Fauna ähnlich. Sicher sind die Unterschiede nicht wie zwischen der lybischen Wüste und dem Odenwald. Eines ist jedoch bemerkenswert: jede der Inseln hat ihren eigenen Charakter, jede ist eine einzigartige Schönheit. Keiner kann sagen, hat man eine Insel gesehen, hat man alle gesehen. Das wäre ungerecht und würde den unzähligen Schönheiten und Eigenheiten der einzelnen Inseln nicht gerecht werden.

Wenige Kilometer hinter Kapalua, dem letzten mit Resorts und Hotelburgen voll gepacktem Ort an der Westküste Mauis, geht es in die Einsamkeit. Es kommen die Moukulaia- und die Honolua-Bay. Beide stehen unter strengem Naturschutz, und schon beim ersten Anblick versteht man auch, warum. Tiefblaues Wasser, durchzogen von unzähligen Korallenriffen, und diese wiederum von hellen, leuchtenden „Sandstraßen“. Von den steil abfallenden Klippen hinabblickend, schaut der Meeresboden dieser beiden Buchten ein bisschen aus wie ein undurchdringliches Gewirr aus Tälern, Bergen und Straßen, ähnlich wie eine jede Stadt beim Anblick aus dem Flugzeug von weit oben. Unberührte Strände, eine dichte Vegetation. Es ist einfach herrlich. Und fast menschenleer.

Im Sommer ist die Brandung flach, die Wellen sanft, im Winter jedoch das genaue Gegenteil. Hohe Wellen brechen sich am Korallenriff und schaffen ein Eldorado für Surfer. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es in den Buchten nur so wimmelt. Wie Treibgut schwimmen die Surfer auf der offenen See, immer auf dem Sprung, die perfekte Welle zu reiten. Es ist immer wieder ein echtes Spektakel, dabei zuzuschauen. Einst ein königlicher Sport ist es heute DER Breitensport auf Hawaii. Von jung bis alt, vom Anwalt bis zum LKW-Fahrer, alle surfen sie. Es ist lustig, die Surfbretter auf Pick-Ups, auf alten Volvos, brandneuen BMWs oder Jaguars zu sehen. Manche haben sogar eine Haltevorrichtung zum Transport der Bretter an ihre Fahrräder geschraubt.

Über die immer enger werdende Straße geht es weiter. Dies ist mal wieder eine jener Straßen, von denen der Reiseführer abrät und deren Befahren die Mietwagenverleiher gleich kategorisch verbieten. Uns egal. Wir sind ja hier, um etwas zu sehen und nicht, um zu erahnen, was wir hätten sehen können. Teils einspurig geht es nun immer weiter in Richtung Nordkap der Insel. Immerzu geht es an unzähligen Buchten vorbei. Eine schöner als die andere. Die Verlockung, jedes Mal auszusteigen, hinabzuklettern und die Füße ins Wasser zu stecken, ist groß. Aber wir haben ja nur ein paar Tage auf der Insel, und so viel will noch entdeckt werden. Aber das eine oder andere Mal können wir nicht widerstehen, stecken die Zehen dann doch hinein und genießen. Genießen einfach den Moment.

Nach der Durchquerung eines engen, steilen Tales auf einer noch engeren und fast noch steileren Straße biegen wir um eine 90-Grad-Kurve, die Landschaft öffnet sich, und, wir können es kaum glauben, vor uns stehen ein Hot-Dog- und Sandwichlaster in einer Parkbucht. Mit seinem knalligen orange und roten Streifen wirkt er ein wenig wie ein mit einer Panne hier liegen gebliebener Schulbus. Und weil keiner gewusst hat, was und wohin damit, hat man ihn einfach umgewandelt und – schwupps – einen Imbiss im Nirgendwo geschaffen. Mit seinem kräftige Orange vor dem blauen Himmel (ähnlich tief und strahlend wie das Blau der berühmten blauen Augen von Terence Hill), und die schwarzen Klippen vulkanischen Ursprungs im Hintergrund wirkt er wie ein Fremdkörper in dieser so natürlichen, klaren Umgebung.

Auch den Reiz der weiteren Strecke macht die Landschaft aus. Eine unglaublich schöne und abwechslungsreiche Landschaft.

Das Iao Valley und der zu Stein erstarrte Wassermann Puukamoua

Das Iao-Valley ist sicher eine der am meisten besuchten landschaftlichen Sehenswürdigkeiten der Insel. Über eine schmale Stichstraße geht es westwärts in das Inselinnere. Die links und rechts aufragenden Berge sind bis an die Spitzen oder Kuppen mit dichtem Grün bewachsen, und genau vor uns, am Horizont, ragt der 1.764 m hohe, inaktive Vulkan Puu Kukui in den blauen Winterhimmel.

Der Iao-Fluss, vom Gipfel des Puu Kukui kommend, hat im Lauf der Zeit diese sagenhafte und an Mythen reiche Landschaft in das vulkanische Gestein gefressen. Seit alters her ist auch dieser Ort ein Tummelplatz der Geister, Götter und Mythen. Auf Grund dieser und der Tatsache, dass es ein abgelegener und ruhiger Ort ist, ist dieses Tal mit seiner weithin sichtbaren und überaus bekannten Iao-Needle ein beliebter Ruhe- und Picknickplatz der Einheimischen. Ist es aber auch wirklich schön hier!

Am Ende der Stichstraße, hinter dem Parkplatz, geht es über einen Highway für Fußgänger in eine Wunderwelt aus Grün, plätschernden Bächen, turmhohen Bäumen und unendlich vielen Palmen. Der Fußgängerhighway endet genau an jenem Punkt, von dem sich der beste Blick auf das Ziel der Reise bietet: die Iao-Needle!

An diesem Ort trennt sich dann auch die Spreu vom Weizen oder auch der aktive, interessierte vom im Bus sitzenden und nur ein paar Minuten Zeit habenden Pauschaltouristen. Von diesem Punkt aus kann man über kleine, abschüssige Pfade noch ein wenig weiter in das Tal vordringen. Über einen steilen Treppenweg geht es auf eine Art Aussichtsplattform, von der sich spektakuläre Blicke über das Tal, die Iao-Needle und den Puu Kukui bieten. Man kann aber auch einfach zahllosen und endlos erscheinenden Pfaden entlang kleinen Bächen folgen und in die Tiefen des Waldes und des Tales vordringen. Kein botanischer Garten ist schöner – man muss nur ein paar Minuten von den ausgetretenen Touristenpfaden abgehen, und man findet eine „ohrenbetäubende“ Ruhe: nur das Gezwitscher der Vögel und das Gurgeln der Bäche ist zu vernehmen.

Diese in den Himmel ragende Nadel galt schon immer als heiliger Ort. Das Iao-Tal, einst das Tal der Könige, war der Ort, an dem in der Frühzeit die Hawaiianer ihre Könige zu Grabe trugen und an geheimen, unmarkierten Stellen beisetzten. Die 400 Meter hoch über den Fluss ragende Iao-Needle diente ihnen dabei als überdimensionaler Altar. Bis zur Spitze sollen Fackeln entlang eines Weges gebrannt haben, während ein Sänger von der Spitze der Nadel rituelle Gesänge in die Nacht hinausschiebte.

Auch im reichen und bunten Repertoire der Mythen hat die Iao-Needle ihren festen Platz: der Halbgott Maui wollte den Wassermann Puukamoua, einen verhassten Brautwerber, für seine schöne Tochter gefangen nehmen und ihn töten. Doch es war die Vulkangöttin Pele, die ihm zuvorkam und Puukamoua an dieser Stelle in eine Steinsäule, die Iao-Needle, verwandelte.

Traurige und blutige Berühmtheit erhielt das Tal im Jahre 1790. Kamemaeha I., auf Mission, alle hawaiischen Inseln unter seine Macht zu bekommen, landete auf Maui. Seine 1.200 und bestens ausgestatteten Krieger trieben die Verteidiger in das enge und ausweglose Iao-Tal. Dort ließ Kamehameha I. seine Gegner mit einer von den Amerikanern erbeuteten Kanone beschießen. Es starben so viele Verteidiger, dass ihre zahlreichen Leichen den Fluss rot färbten verstopften und. Diese todbringende Kanone Kamehamehas I. wurde seitdem „Waha ula“ genannt – „der rote Mund“.

An einer schattigen Stelle, abseits des Fußgängerhighways, finden wir direkt neben dem Fluss ein schattiges Plätzchen, packen unsere Sandwiches aus und genießen den weiten Blick aus dem Tal heraus, über exotische Bäume und Blumen, einen Nachbau einer polynesischen Palmwedelhütte und einen kleinen Pavillon.

617 Kurve, 56 Brücken und Sonntagsfahrer – der Hana Highway

Als DAS must-do von Maui gilt der Hana-Highway. Durch schier endlose – den Statistikern sei Dank – 617 Kurven und 56 Brücken geht es in 84 km zu dem kleinen, abgelegenen und verschlafenen Ort Hana am östlichen Zipfel der Insel. Das macht im Schnitt alle 136 Meter eine Kurve und somit Überholen absolut unmöglich. Für Europäer stellt eine solche Straße keine sonderliche Herausforderung dar, sind wir doch kleine, schmale und kurvige Straßen gewohnt. Jeder, der schon einmal über eine schweizerische Passstraße gekommen ist, schafft dies hier noch mit links. Anders schaut es da schon mit den Festland-Amerikanern aus. Eine Straße wie diese kennen die meisten nur aus Berichten über unterentwickelte Länder. Deutschland gehört hierbei anscheinend dazu, wurden wir immerhin schon einmal gefragt, ob es denn bei uns im Winter überhaupt möglich sei, Auto zu fahren und ob wir denn Schneeräumer hätten.

Leider muss man keinen Test seiner fahrerischen Fähigkeiten ablegen (und bestehen), um nach Hana fahren zu dürfen. Jeder darf. Nun ist es so, dass der an landebahngleich breite und gerade Straßen gewohnte Festland-Amerikaner, in der einen Hand einen Coffee-to-go, auf dem Schoss einen Hund (bevorzugt Zwergpudel oder ähnliches Hundegetier in Rattengröße) mit von der andern Hand lässig – Servolenkung sei Dank – , den kleinen Finger um das Lenkrad des SUV gerollt, fährt – und lenkt. Schritttempo ist die Folge, wobei versierten Autofahrern und Einheimischen der Geduldsfaden zu reißen droht. Für eben jene Schleicher hat man extra kleine Ausweichbuchten geschaffen. Deren tieferer Sinn scheint sich aber dem Festland-Amerikaner nicht zu erschließen, und es wird, staunend, wer hier wohl parken wolle, es gibt ja nichts zu sehen, gemütlich daran vorbeigeschaukelt. Ganz nach dem Motto: Ich fahre, also bin ich und nach mir die Sinnflut. Dieser Fahrstil führt letztendlich dazu, dass die Einheimischen, die Straße kennend und auf Gott vertrauend, an irrsinnigen Stellen überholen. Uns, die wir die Straße nicht kennen, bleibt wenig übrig, als die CD „Aloha Contemplation No. 5 – the Sound of the Paradise“ einzulegen und uns von dieser Musik besänftigen zu lassen.

Der Hana-Highway ist eine schöne, aber bei weitem keine spektakuläre Straße. An so vielen Ecken und Enden dieser und anderer Inseln kann man durch tiefen, grünen und bemerkenswerten Regenwald fahren. Es gibt einige schöne Lookouts mit herrlichen Blicken über das endlose, tiefblaue Meer. Aber das gibt es auf diesen beschaulichen Inseln fast überall.

An den Waikamai-Wasserfällen halten wir an, finden diese jedoch nicht und machen stattdessen eine herrliche, kurze Wanderung durch den Regenwald. Immer wieder sind wir von den Bäumen, Büschen und dem in allen Facetten scheinendem Grün fasziniert. Blätter, so groß wie Tischdecken, Liftwurzeln dick wie Säulen und Bäume so hoch, dass man deren Kronen kaum sieht.

Nach ungefähr drei Durchläufen der wunderbaren, aber langsam nervig werdenden CD „Aloha Contemplation No. 5 – the Sound of the Paradise“ erreichen wir Hana. Wegen seiner Abgeschiedenheit wird der Ort auch oft „himmlisches Hana“ genannt. Und dieser Ort ist wirklich abgeschieden. Nun sind zwar 84 km bis nach Kahului, dem geschäftigen Zentrum der Insel, über den Hana-Highway nicht gerade viel, aber hängt man eben einmal hinter einem solchen Schleicher fest, geht gar nichts mehr.

Einmal in Hana, hat man inzwischen wieder zwei Optionen der Weiter- bzw. Rückfahrt: entweder man entscheidet sich, den Hana-Highway in umgekehrter Richtung wieder zurückzufahren oder man folgt der Straße (der einzigen auf dieser Seite der Insel) und umrundet somit den gesamten Ostteil der Insel. Die zweite Variante war die letzten Jahre nicht möglich, da viele der schmalen und wackligen Brücken einem Erdbeben zum Opfer fielen. Inzwischen ist die Straße jedoch wieder geöffnet und durchgehend bis nach Kahului zu befahren. Einziges Problem ist, wie auch schon bei der Umrundung der Nordostspitze der Insel, dass uns der Mietwagenverleiher das Befahren dieser Straße ausdrücklich untersagt hat und , für den Fall, dass etwas passiert, müssten wir alles selber berappen – nix mit Versicherung. Irgendwie ist es schon komisch. Fast nichts könnte man auf der Insel machen, würde man sich an die Verbote der Mietwagenverleiher halten. Wir fahren selbstverständlich weiter – was für eine Frage. Von ein paar unasphaltierten Strecken lassen wir uns doch nicht abschrecken. Schließlich haben wir ja wieder mal das Urgestein amerikanischer Off-Road-Kultur, einen Jeep Wrangler, gemietet.

Und wie war die Entscheidung richtig! Dieser Abschnitt sollte DAS must-do der Insel sein. Einige Kilometer hinter Hana endet der Regenwald, und wir kommen in eine fast wüstenähnliche Landschaft.

Zwischen der Flanke des Haleakala und der Alenuihaha-Enge

Hana liegt hinter uns, und vor uns schlängelt sich die Straße durch die Landschaft. Auf dieser Strecke gibt es, ähnlich dem Hana-Highway, hauptsächlich Landschaft zu entdecken und zu bewundern. Auf den ersten Kilometern ist der Highway 31 noch recht gut befahren: von riesigen Bussen und zahlreichen Individualreisenden. Deren absolut letztes Ziel auf dieser abgelegenen Seite der Insel sind die Seven-Sacred-Pools – die sieben heiligen, natürlichen Wasserbecken. Dass man auf einen bei Touristen beliebten Ort gestoßen ist, merkt man sofort daran, dass ein wild mit den Armen fuchtelnder und in seiner Tropenuniform schwitzender Ranger einen sofort bei nicht ordnungsgemäßem Stehenbleiben am Straßenrand mit seiner Pfeife antrillert und zum umgehenden Weiterfahren ermahnt. Lustig an den Seven-Sacred-Pools ist die Tatsache, dass es weder sieben (es sind derer rund 20) noch dass sie heilig sind. Auch wenn das Anhalten auf der kleinen Brücke, die über den Ablauf der Pools führt, nicht erlaubt ist, hat man doch von dieser Stelle einen wunderbaren Blick über die zwischen den Pools liegenden und vom schäumenden Wasser überzogenen Kaskaden.

Von nun an ist man fast alleine auf der Straße unterwegs. Nur noch selten kommen uns ähnlich anarchische, den Anweisungen der Mietwagenverleiher die Stirn bietende, erkundungslustige Touristen entgegen.

Auch für diesen Tag haben wir vorgesorgt und uns mit einer reichhaltigen Lunchbox versehen. In einem kleinen, scheinbar namenlosen Ort finden wir neben der Kirche unter einem riesigen Banyan-Baum einen herrlichen Platz im Schatten, schnabulieren die Box leer, legen die Füße kurz hoch und müssen aufpassen, in dieser nur vom Rauschen der Blätter im Wind und einer Symphonie aus Vogelgezwitscher unterbrochenen Ruhe nicht einzudösen…

Einige wenige Kilometer weiter biegt eine Seitenstraße links ab, der Hinweis „Private Road“ und „No Trespassing“ wird überlesen (wie sich noch herausstellen sollte, nicht nur von uns), und wir kommen zu der einfachen Holzkirche Palapala-Hoomau-Church mit ihrem winzigen Friedhof. Das Innere der Kirche mit seiner einfachen Formensprache und Schmucklosigkeit hat irgendwie etwas Besonderes. Die Wände schneeweiß, der Boden in kräftigem Rostrot gestrichen und die Bänke in einem urwaldgleichen Dunkelgrün. Wir bleiben ein paar Minuten – durch das Fenster sehen wir die sich im Wind biegenden Palmen – und lassen die Gedanken schweifen.

Die Kirche aus dem Jahre 1857 ist in den frühen 1960ern liebevoll von dem Ehepaar Taylor restauriert worden. Auf dem Friedhof finden sich die Gräber der Taylors und ihrer fünf Gibbon-Affen. Was den Friedhof und eines der Gräber aber letztendlich so bedeutend macht, sind nicht die Taylors und auch nicht die Gräber ihrer Affen. Nein, hier findet sich das Grab einer Legende, eines Pioneers, eines Wagemutigen, eines Erfinders und des Schriftstellers des Bestsellers „We“ von 1927: es ist das Grab von Charles Lindbergh! Eine einfache Granitplatte, umgeben von pechschwarzem Lavagestein, erinnert an den Bezwinger der Lüfte.

Die Taylors und Lindbergh waren gute und langjährige Freunde, und so luden die Taylors Lindbergh ein, hier an diesem abgelegenen Ort seinen Lebensabend zu verbringen. Am 26. August 1974, im Alter von 72 Jahren, starb Lindbergh und fand seine letzte Ruhestätte auf diesem malerischen Friedhof mit Meerblick, umgeben von herrlichen Bäumen und bunten Blumen. Er hätte ja auch in den Atlantik stürzen können – ein sicher nicht so schönes Grab.

Nachdem wir den dichten Regenwald hinter uns gelassen haben, gelangen wir in eine surreale, wüstenähnliche Landschaft. Zur Rechten sind die ausgedehnten und vom Zahn der Zeit gezeichneten Lavafelder des Haleakala-Vulkans und zur Linken strahlt das tiefblaue Meer, die Alenuihaha-Meeresenge. Es ist faszinierend, durch diese einsame, nur – man glaubt es kaum – von hawaiischen Cowboys durchstreifte Landschaft zu fahren. Vereinzelt öffnen sich zwischen erloschenen Lavaströmen tiefe, zerfurchte und öde Täler. Scheinbar fließt hier nur selten Wasser. Und wenn, dann sind es eher kurze, ungestüme und reißende Wassermassen, die sich nach einem heftigen Regen in den fast immer wolkenverhangenen Bergen ihren Weg nach unten ins Meer suchen. Fast zwei Drittel der Strecke führen durch diese unwirtliche, manchmal grünere, Viehzucht erlaubende und manchmal eher schwarze, fast lebensfeindliche Landschaft.

Aus dem Schatten des Lavafeldes heraus gelangen wir, die Straße geht langsam aber stetig bergauf, in das fruchtbare Upper Valley. Das Upper Valley ist so etwas wie die Gemüse- und Obstkammer der Insel. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich hier sogar ein Weingut etabliert. Die Tedeschi Winery. Doch schon beim Betreten des Tasting-Rooms wird klar, um was es sich hierbei handelt. Der Wein, im Geruch eher seltsam,wird kurzerhand mit den verschiedensten Obstsäften und Sirupen oder Karamell (!) gesüßt, gestreckt und abgefüllt. Wein aus Hawaii, ein Renner bei den Amerikanern. Aber, und bekanntlich ist es immer Geschmackssache, dieser Wein riecht schon so gruselig, dass wir es nicht einmal wagen, ihn zu probieren.

Auf dem größten ruhenden Vulkan der Erde

Bei der Fahrt auf den größten ruhenden Vulkan der Erde stellt uns die Technik fast ein Bein. In der Ebene hat die Tankuhr noch mehr als halbvoll angezeigt. Sollte reichen für knapp 100 km, denken wir. Einmal auf der steilen Bergstraße, inmitten einer Landschaft, die uns eher an das Allgäu denn Hawaii erinnert, macht die Tankuhr einen unerwarteten Hüpfer. Richtung leer. Komisch. Hat der Tank ein Loch? Wir fahren auf einen ebenen Parkplatz und schauen voller Spannung auf das kleine rote Nädelchen der Tankuhr. Keinen Millimeter bewegt sich das verdammte Ding. Leer! Wir versuchen es andersherum, den Berg hinunter. Wieder nichts. Ja sapperlot, das gibt es ja gar nicht. Nachdem wir schon eine gute Weile unterwegs sind und auf dem Weg zum Gipfel keine Tankstelle mehr kommt (ein großes, grelles Hinweisschild hat dies einige Kilometer vorher unmissverständlich klar gemacht), lassen wir dieses „Fass ohne Boden“ im Leerlauf ins Tal rollen. Unten angekommen, tanken wir voll und fahren halt noch einmal hoch. Und, wie sollte es anders ein, dieses kleine, fuzzelige rote Nädelchen bewegt sich die ganze Fahrt keinen Millimeter mehr.

Oben angekommen und ausgestiegen rollen sich die Zehennägel in den Crocs zusammen, und aus dem vom Staunen offenen Mund weht unser Atem über den Krater. Saukalt ist es hier oben. Um den Zynikern unter den Lesern vorwegzukommen: klar ist es hier kalt, eiskalt, sind wir ja auf 3.055 Meter über dem Meer. Wir hätten es wissen können. Überrascht und frostig kramen wir die Socken aus der Tasche (immerhin haben wir welche dabei), schlupfen rein und ab in die schneeweißen Joggingschuhe.

Mit nun warmen Füßen machen wir uns auf, in den Schlund des größten ruhenden Vulkans der Erde zu blicken. Und wie! 12 km lang, 4 km breit und 915 m tief. Wir blicken in ein fast 44 Kubikmeter großes Loch. Diese Landschaft ist grandios. Zugleich aber auch erschreckend und faszinierend. Der letzte Ausbruch liegt zwei Jahrhunderte zurück. In geologischen Maßstäben war das nicht einmal gestern, sondern eher heute Morgen. Im Inneren des Kraters öffnet sich eine Landschaft, mondgleich, in unendlichen Farbvarianten aus rot, braun, orange, gelb, grün, grau und schwarz. Schon Jack London, ein treuer Begleiter unserer Reise, hat diese Landschaft in seinem Reisebericht „The House of the Sun“ als „Botschaft von Schönheit und Wunder für die menschliche Seele“ charakterisiert.

Der Titel „The House of the Sun“ geht auf den Halbgott Maui zurück. Da die Tage zu kurz waren, um alles notwendige Tagwerk zu erledigen, versprach Maui seiner darunter leidenden Mutter, dies zu ändern. Er versteckte sich des Nachts im Krater des Haleakala und wartete geduldig auf die Sonne. Als diese schließlich über den Kraterrand gekrochen kam, fing er sie mit einem riesigen Lasso ein. Die erboste Sonne schimpfte und wetterte, dass sie es eilig habe und dass sie wieder in der Dunkelheit ruhen wolle. Aber Maui ließ nicht locker. Erst als die Sonne ihm versprach, von nun an die eine Hälfte des Jahres länger zu scheinen, ließ er sie frei. So erklärten sich die Polynesier einst, warum die Tage im Sommer länger und im Winter kürzer sind.

Wir machen uns wieder auf den Rückweg und überwinden abermals auf rund 50 km einen Höhenunterschied von über 3.000 m. Nirgends sonst auf der Welt ist dies möglich. Und überhaupt waren wir gerade auf einem der höchsten Berge der Welt. Den unter dem Wasser liegenden Sockel mitgerechnet, ist der Haleakala mit knapp über 9.000 Metern der höchste Berg der Welt.

Dies im Hinterkopf, streichen wir den Mount Everest wieder aus der To-Visit-Liste. Mahalo Maui! Danke Maui!

 

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