Victoria – South Australia

Highlights im Süden!

27.03.2011

VICTORIA – SOUTH AUSTRALIA

Durch die gerade mal knapp 2 Kilometer breite Passage geht es an Bord der Spirit of Tasmania am Point Lonsdale vorbei von der rauen tasmanischen See in die geschützte Port Phillip Bay. Melbourne liegt vor uns. Noch sind jedoch keine Hochhäuser am Horizont zu erkennen, vor uns nur „offene See“. Es sind noch 70 km durch die wahrlich riesige Phillip Bay bis zum Dock in Melbourne. Fast drei Stunden wird die Fähre hierfür benötigen. Langsam lassen sich am Horizont die Konturen der Stadt erkennen, Bürotürme ragen in den Abendhimmel, am Himmel tummeln sich Flugzeuge nach und aus Melbourne, die Lichter der Stadt beginnen die Bucht zu erhellen. Als schließlich Matrosen mit armdicken Tauen die Fähre festzurren, geht alles rasend schnell. Durch immer wiederkehrende Lautsprecherdurchsagen werden die Passagier aufgefordert, sich zu ihren Fahrzeugen zu begeben. Der Bug der knallroten Fähre öffnet sich und heraus tuckert eine scheinbar nicht enden wollende Karawane heimkehrender, weiterziehender, rastloser Camper und verschwindet im Straßengewirr Australiens zweitgrößter Stadt. Wir wollen ein paar Tage bleiben, die Stadt erkunden, kennen lernen und die Seelen in manchen der angeblich unzähligen Bars, Restaurants und Kneipen baumeln lassen.

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Dass Melbourne am Ende leider für uns eher eine Enttäuschung werden wird, ahnen wir noch nicht. Zuerst müssen wir uns jedoch mit unserem Laster an eine weltweit einzigartige Verkehrsregel gewöhnen. Wie in München ist Melbourne von einem dichten Trambahnnetz erschlossen. Beim Rechtsabbiegen hat die Trambahn (fast) immer Vorfahrt. Die Betonung liegt hierbei auf „fast immer“. An den diesbezüglich gekennzeichneten Kreuzungen, schwer erkennbar durch ein winziges Schildchen – versteckt irgendwo am Straßenrand oder verloren baumelnd an Kabeln hoch über dem Asphalt – , muss zunächst am linken (!!) Fahrbahnrand gewartet werden. Ist der geradeaus fahrende Verkehr vorbeigefahren, darf rechts abgebogen werden. Wie oft wir letztendlich „falsch“ abgebogen sind, wissen wir nicht.
Seitdem Zyklon Yasi über Queensland im Norden hinweggefegt ist, spielt das Wetter in Australien verrückt. Es ist national gesehen ein Wechselbad aus extremer Hitze und sinnflutartigen Regenfällen. Bei Perth wüten Buschbrände, weiter östlich versinken Landschaften im Wasser. Schon Tasmanien war geprägt von noch nie gesehenem schlechten Wetter und auch in Melbourne bleibt das schlechte Wetter uns treu. Eigentlich sollten die Temperaturen in den hohen 20igern sein. Eigentlich! Tatsächlich kreist das Quecksilber beständig um die 10°C herum. Es ist wahrlich frustrierend. Mit wirklich ganz wenigen Ausnahmen ist dies eigentlich seit Anfang Januar so. Die wenigen wirklich schönen Tage haben wir im Reisetagebuch markiert. Es sind nicht viele.

So machen wir uns auf, stets bewaffnet mit einem Regenschirm, Melbourne zu erkunden. Die Stadt scheint aus allen Nähten zu platzen, ein Festival jagt in diesen Tagen das nächste, die Menschen drängen sich durch die Straßen. Auf uns macht es den Eindruck einer aus dem Ruder gelaufenen Riesenfete. Überall und omnipräsent sind halbstarke, junge, stark angetrunkene Männer, die scheinbar heil – und spaßbringenden Bier- und Schnapsflaschen fest umklammernd. Die Restaurants sind brechend voll, teilweise bekommen wir nur noch Essens-Slots von 18 Uhr bis spätestens 19:15 Uhr. Das ist Lebenskultur auf dem Gipfel seiner Möglichkeiten. Im Reiseführer heißt es über Melbourne: „Im Vergleich mit Sydney hat Melbourne den Status der ewigen Zweiten nie ablegen können“. Oder: „Die lockere Lebenshaltung, die die Aussies gerne als easy going bezeichnen, ist Melbourne fremd“. Wir wollten dies nie so wirklich glauben, dachten, dass dies eine eher freundschaftliche Hassliebe sei. In Wirklichkeit ist es aber so, dass der Melbourner keine einzige Möglichkeit auslässt, schlecht, gar abfallend über Sydney zu sprechen. In Sydney haben wir diese Erfahrung (natürlich umgekehrt) nie gemacht. Langsam wird uns auch klar, wieso: Sydney ist einfach die Nummer 1 der beiden – auf jeden Fall in unseren Augen. Irgendwie schade, hatten wir uns wirklich auf diese Stadt gefreut, aber einen wirklichen Zugang haben wir nicht gefunden zu dieser Stadt. Und, um ehrlich zu sein, sind wir froh, als wir nach ein paar Tagen die Stadt hinter uns lassen – das schlechte Wetter im Schlepptau.

Über die Mornington Peninsula machen wir uns auf den Weg gen Westen. Und, wie sollte es auch anders sein, ist unser treuer Gefährte der liebe Regen schon da. Durch Nieselregen können wir das ein oder andere Weingut, eingehüllt in einem feuchten Mantel aus Nebel und Wasser spendenden Wolken, erblicken. Wir hatten so einige Pausen eingeplant, belassen es dann aber bei einer einzigen: auf dem Weingut mit dem wirklich netten Namen „Ten Minutes by Tractor“ (die Weinberge sind eben 10 Traktorminuten vom Weingut entfernt) essen wir eine Kleinigkeit, füllen den „Weinkeller“ wieder auf, lassen einen Kugelschreiber mitgehen und machen ein Foto von der sich kurz blicken lassenden Sonne.

Über das etwas verschlafene, aber malerische Geelong, dem einstigen Zentrum der australischen Wollindustrie, gelangen wir über eine schurgerade Straße nach Torquay. Für uns beginnt hier die weltberühmte Great Ocean Road. Was wir nicht alles über diese 300 Kilometer gelesen haben. Atemberaubend, sagenhaft, the world’s most senic drive, …. die Liste ließe sich beliebig ergänzen. Auf geht’s, voller Vorfreude. Die Straße windet sich kurvenreich die Küste entlang und bietet oft wunderschöne Blicke. Die über tausende von Kilometer ungebremsten Wellen knallen mit einer unvorstellbaren Wucht unter ohrenbetäubendem Getöse auf die zerklüftete Küste. Das Wasser spritzt und zischt explosionsartig in die Höhe. Gischt, gleich einem Schleier, liegt über der Küste. Das Wasser kommt aus allen Richtungen: aus dem Meer, aus dem Himmel – es ist wie eine riesige „Stereo-Dusche“. Der Himmel zeigt sich in seinem feinsten Grau, makellos, keine Unterbrechung, kein lichter Streifen der Hoffnung auf Sonnenbrand. Von hier bis zum Horizont. Unbeeindruckt erklimmen wir Aussichtspunkte, geben die Hoffnung nicht auf. Vergebens. Morgen, ja morgen wird es sicher besser werden. Dann „erfahren“ wir ja auch den bekanntesten, meist gelobten Streckenabschnitt der Great Ocean Road. Zwischen Apollo Bay und Port Campbell soll es so richtig toll sein. Soll. Kurz hinter Apollo Bay verlässt die Great Ocean Road den Namensgeber und es geht durch dichte Eukalyptuswälder ins Hinterland, um bei Glenaire einem Nadelstich gleich für wenige Kilometer wieder an die Küste zu gelangen. Einige wenige Kilometer weiter geht es in einem steilen Bogen wieder ins Landesinnere zurück. Wald, Schafe, Kühe so weit das Auge reicht, aber kein Great Ocean. Irgendwer hat da irgendwas falsch interpretiert. Uns drängt sich der Gedanke auf, dass die Schreiberlinge von den Reiseführern nie hier waren, nie die Strecke gefahren sind, sondern entweder konsequent voneinander abschreiben oder mit dem Finger auf einer Karte mit dem Maßstab 1:45.000.000 die Route „begriffen“ haben – hier läge die Straße ja auch direkt am Meer.

Die sogenannten „must see’s“ – die Gipson Steps, die 12 Apostel, die Lord Ard Gorge und die London Bridge sowie the Grotto – reihen sich ab dem kaum wahrnehmbaren Örtchen Princetown im Abstand von wenigen Kilometern aneinander. Riesige Hinweisschilder deuten nach links oder rechts in die inzwischen vorherrschende Steppenlandschaft, der Ozean am Horizont ist letztendlich nur über mühselig in den porösen Fels geschlagene Treppen oder renovierungsbedürftige Tunnel zu erreichen. Die Bedeutung und Sehenswürdigkeit der Strasse ist bis auf die ersten, wenigen, wirklich schönen Kilometer eher das Wunschdenken einiger lokaler Tourismusbüros zu verdanken. Ja, die 12 Apostel sind beeindruckend (auch wenn es nur sieben sind, aber mit der biblischen Anspielung verleiht es dem Ganzen etwas „großartiges“). Die Gibson Steps führen zu einem zugegebenermaßen wirklich extrem beeindruckenden Strand zu Füßen himmelhoher Klippen. Eine Freundin hat diesen Teil der Strecke als „Rock Shopping“ bezeichnet. Es klang ein wenig „abwertend“, ist aber irgendwie wahr…

Am Ende der Great Ocean Road war es dann soweit. Wir haben sie gefunden, gesehen, bewundert, bestaunt und uns wie die kleinen Kinder gefreut. Nein, es war nicht der Ozean, nein, es war auch nicht die Sonne (obwohl wir uns hierüber ebenso gefreut hätten). Es waren müde, träge, pelzige Baumbewohner: Koalabären. In freier Wildbahn. Nicht im Zoo, nicht im Streichelgehege. Sondern im Cape Otway Nationalpark. Es waren Koalas, wilde Koalas! Unter Aufwendung aller Kraft haben wir Knut aus voller Fahrt in einer Steilkurve im sandigen Graben zum Stehen gebracht. Koalas! Und nicht einmal schlafend. Wach und fressend. Was für ein Erlebnis. Wir stehen, staunen und sind gleichermaßen überglücklich und fasziniert. Diese Eukalyptus fressenden Bären markieren das Ende der Great Ocean Road und einen echten Höhepunkt für uns. Bärig!

Der nächste Stopp ist das wenig bekannt Städtchen Mount Gambier, über das es im Reiseführer lapidar heißt, es sei an einem „blue lake“ vulkanischen Ursprungs gelegen. Der erste Blick auf den See offenbart, dass sich hier (ganz im Gegensatz zur Great Ocean Road), noch kein Tourismusvermarkter hinverirrt hat. Der See ist von einer solch atemberaubender Schönheit, Gleichmäßigkeit und so strahlend blau, dass wir kaum glauben können, dass so wenig in der Reiseliteratur darüber zu finden ist.

Auf dem Weg nach Mount Gambier haben wir übrigens die Grenze nach South Australia überquert – dem trockensten Staat auf dem trockensten, bewohnten Kontinent der Erde. Und, wie mit dem meteorologischem Lineal gezogen, zeigt sich die Sonne. Unglaublich. Wir haben den Regen überholt und das mit einem Laster. Wir packen die Gelegenheit beim Schopfe, springen in die Joggingschuhe und laufen zu einem blendenden Sonnenuntergang einmal um den See. Es ist Balsam für unsere Seelen. Gut aufgelegt, vom Joggen angenehm müde und erschöpft verkriechen wir uns in unseren Laster und schlafen den Schlaf der Seeligen. Und als am nächsten Morgen immer noch die Sonne scheint, scheint es uns, als ob wir im Paradies angekommen wären.

Wir folgen dem Princess Highway in nördlicher Richtung, passieren Beachport mit seinem über 1,2 km langen Pier, besichtigen eine Tropfsteinhöhle, erleben eine sonst wenig ereignisreiche Fahrt, lassen den 90-Mile-Beach links liegen (nicht zugänglich wegen aufgeweichter Strassen) und schlagen die Zeit in dem wenig schmucken Städtchen Victor Harbour tot, um die allabendliche Fähre nach Kangaroo-Island zu erwischen. Ach, und es hat wieder angefangen zu regnen. Die Sonne war uns nicht lange, doch immerhin 1 ¼ Tage, vergönnt.

Auf Kangaroo-Island bahnen wir uns unseren Weg durch überflutete Straßen, vorbei an ebenfalls überfluteten Feldern von der Größe kleiner Städte in Europa (100 Liter/m2 soll es in der Nacht davor geregnet haben – glaubhaft)und schalten abends wieder in den „Das-Wetter-wird-schon-besser-Hoffnungs-Modus“. Und es wird, also immerhin ein bisschen. Wenigstens regnet es am nächsten Tag mal nicht (immer) und so erkunden wir auf einer einsamen Schotterpiste den Nordteil der Insel. Schöne Strände, weite Blicke und teils herrliche Landschaften prägen den Tag, der seinen Abschluss mit dem Besuch der Remarkable Rocks findet. Diese fremdartig anmutende Felsformation thront erhaben über dem tosenden Meer und zieht einen irgendwie automatisch in seinen fast schon mythischen Bann. Was am nächsten Tag kommen sollte, erahnen wir noch nicht. Besser so.

Der nächste Morgen beginnt wie immer mit Blick aus dem Fenster. Und zu unserer „Überraschung“ ist dieser wieder grau, grau und grau. Der Regen stürzt mit all seiner Wucht und noch mehr Wasser zu Boden. Über schlammige, aufgeweichte Pisten wühlen wir uns den Rest des Tages durch teils 20 cm tiefen Matsch, sind des Öfteren kurz vorm Steckenbleiben und abends sind die Schuhe von einer dicken, festen Kruste aus Schlamm und Dreck überzogen. Reisen im trockensten Staat auf dem trockensten, bewohnten Kontinent… Nach dieser Schlammschlacht bleibt uns wenig übrig, außer Knut ein bisschen zu putzen, frustriert ein paar Emails zu checken und uns in die Koje zu legen. Am nächsten morgen müssen wir in aller Herrgottsfrühe raus – auf die Fähre zurück aufs Festland.

Heute scheint die Sonne – will in unsere Terminologie heißen, dass es nicht regnet und sporadisch blauer Himmel zu sehen ist, wir stehen im weltberühmten Barossa Valley und der Abend der lokalen Senioren wird heute in der Camp Kitchen mit einem rauschen „Square Dance Abend“ abgerundet. Wir werden ein bisschen zuschauen, ein Fläschchen Wein köpfen und die Wetterkarte von Neuem über die Landkarte legen, um die weiter Route zu planen. Es wird wohl nach Westen gehen.

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