Alaska

The Last Frontier!

19.07.2008 – 06.08.2008

USA: ALASKA

Alaxsxag (aleutisch für Alaska), das „Land, in dessen Richtung der Ozean strömt“, dieses einzigartige, unvergleichliche Erdeneck der unglaublichen Weiten, Wälder und Seen begrüßt uns mit fast frostigen 3°C. Und strömendem Regen! In Dawson City tags zuvor konnten wir noch fast 30°C genießen. Was für ein Gegensatz. Wir packen wieder unsere dicken Jacken und Pullis aus, zugleich machen wir uns auf den Weg Richtung Fairbanks.

Und weg war die Straße

Kaum jenseits der kanadischen Grenze sind die Straßen noch schlechter. Schon vorher war die Fahrt eher eine Schlammschlacht, ein langsames Durchpflügen von Matsch und Lehm. Nun, mit unserem geländetauglichen Knut sollten wir letztlich keine nennenswerten Probleme haben. Leid tun uns da schon eher Camper John und Judy mit ihren 20 Meter langen busähnlichen Mobilen, die auf so dünnen Reifchen stehen, dass man glauben könnte, der erste Kiesel zeige ihnen die Grenzen ihrer Mobilität auf. Die Straße ist hier nur noch eine aufgeweichte, matschige und extrem glitschige Lehmpiste. Und eng, sehr eng. Schon bald werden wir mit dem Problem des ersten Gegenverkehrs konfrontiert.

Und dann geht alles schnell, sehr schnell. Ein lauter Rums, die Straße bricht weg. Wir landen im Graben. Auf der gesamten Länge unseres Autos ist die Straße einfach rechts weg gebrochen und wir mit dem ganzen Matsch mit ihr. Noch etwas blass blicken wir auf die Tannen, die nun deutlich näher stehen und sind froh, nicht auch noch in eben solche gerauscht zu sein. In noch nicht bedrohlicher, aber doch bemerkenswerter Schräglage stehen wir da nun. Hinter, vor und neben uns halten alle an und warten, durch dichten Regen schauend, wie wir da nun wieder raus kommen. Nach einigen Schrecksekunden wieder gefasst, werden einfach Allrad, Untersetzung und die beiden Differentiale zugeschaltet. Wir versuchen unser Glück. Gut, nach vorne fahren wir, aber links wieder zurück auf die Straße, keine Chance. Der Boden ist so aufgeweicht, dass auch schon beim leichtesten Lenkeinschlag sofort mehr Straße wegbricht, wir zurückrutschen und so nicht rauskommen. Knappe 100 Meter vor uns mündet ein Feldweg von rechts auf die Straße, und so fahren wir einfach halb auf der Straße, halb im Graben bis dorthin und hoffen, dass der Boden dort fester ist. Das ist er und wir sind zurück auf der Straße und um ein Abenteuer reicher.
Durch sinnflutartigen Regen geht es weiter. Die Straße wird teilweise noch schlechter, und wir bei jedem Gegenverkehr vorsichtiger. Weitere Ausflüge in weitere Gräben bleiben uns zum Glück erspart.

Alaska, ein paar Fakten und Kuriositäten

Alaska, „the last Frontier“ umfasst ein Gebiet von sagenhaften 1.717.854 km². Das entspricht der Landmasse von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien zusammen, abzüglich der Fläche Österreichs.
Zar Alexander II. verkaufte 1867 Alaska, seinerzeit die einzige Überseekolonie Russlands, für $ 7,2 Mio. an die Vereinigten Staaten von Amerika (das entspricht etwa heutigen 1,67 Milliarden Dollar – immer noch ein Schnäppchen). Der Kaufpreis entsprach einem Quadratmeterpreis von lächerlichen 0,0004 Cent. Russland verwendete dieses Geld, um die enormen Kosten seiner Kriege zu decken, und die USA machten ein Riesengeschäft: Die Ölvorkommen Alaskas werden auf 10 Milliarden Barrel und die Gasvorkommen auf unglaubliche 764.554.950.000 Kubikmeter geschätzt.
Das neu hinzugekaufte Land wurde zu dieser Zeit (nach dem damaligen Secretary of State William Seward) als Seward’s folly („Sewards Dummheit“), Seward’s Icebox (Sewards Eisbox) und nach Präsident Andrew Johnsons Polar Bear Garden (Eisbärgarten) verspottet, da die Öffentlichkeit es kaum fassen konnte, wie man für ein so weit entferntes und allem Anschein nach ödes Gebiet so viel Geld bezahlen konnte. Diese Abgelegenheit führte schließlich 1949 dazu, das Vergissmeinnicht (engl. forget-me-not) als Staatsblume zu wählen. Und abgelegen liegt Alaska wirklich. Nur ein Beispiel: Von Anchorage ist es näher nach Tokio als nach Washington D.C.

Und noch ein paar Kuriositäten, diesmal aus den Gesetzbüchern: In Fairbanks dürfen es Bewohner nicht zulassen, dass sich Elche auf offener Straße paaren (Aaah!); ferner ist es in Alaska illegal, von einem Flugzeug aus auf einen Elch herabzuschauen (??). Ebenso ist es ein Verbrechen, einen lebenden Elch aus einem Flugzeug zu schubsen oder betrunken zu machen (just das hatten wir vor…Schade).

Nun gut, Alaska ist groß, und die eine oder andere Kuriosität gibt es, aber zurück zu unseren Erlebnissen.

Denali, Anchorage und ein Wasserflugzeug

Über Fairbanks, es regnet noch immer, geht es weiter nach Anchorage; dazwischen liegen knapp 600 km Nadelwald. Nicht ganz auf halber Strecke zwischen den beiden Städten liegt jedoch eine der absoluten Hauptsehenswürdigkeiten Alaskas: Der 24.585 km² große Denali Nationalpark. Der Name ist indianisch und bedeutet „der Hohe“. Und das nicht grundlos. Der Mount McKinley ist mit 6.193 Metern der höchste Berg Nordamerikas. Er ist allerdings nur an zwei von drei Tagen nicht von Wolken verhüllt. An welchem Tag wir da waren? Nur soviel: auf Fotos schaut der Berg auf jeden Fall beeindruckend aus.

Da der Park der größte Tourismusmagnet ist, sind die Zugangsmöglichkeiten sehr restriktiv, und so gibt es derer nur drei. Die erste, einfachste und sicherlich am wenigsten beeindruckende ist, mit einem Privatfahrzeug die ersten 12 km in den Park zu fahren; meist geht es hierbei an den Mitarbeiterwohnungen, dem Headquarter und anderen Versorgungsgebäuden vorbei. Zwischendrin findet sich auch ein bisschen Natur, aber die wirkliche, lohnenswerte Natur liegt weit, weit hinter der Schranke bei km 12. Die zweite Möglichkeit, ein kleines Stückchen weiter in den Park zu kommen, ist eine Reservierung auf einem der Campingplätze; diese liegen jedoch auch alle sehr nahe an der Schranke, und eine Weiterfahrt in die Tiefen des Parks mit dem eigenen Auto ist auch dann noch nicht erlaubt. Somit fällt diese Möglichkeit irgendwie auch aus. Dritte, letzte und einzige Möglichkeit, die gesamten 130 km Straße und Naturschönheiten des Parks zu genießen, ist eine Bustour. Dies mag einfacher klingen als es ist. Sicher hat jeder schon einmal eine Bus-Sightseeingtour gemacht und eigentlich ist alles (theoretisch) ganz einfach: Ticket kaufen, auf Bus warten, einsteigen und los geht es. Nicht jedoch hier. Um Zutritt zu erlangen, benötigt man einen sog. Token, einer Münze ähnlich. Dieser Token öffnet sprichwörtlich die Bustüre, ist sozusagen das Sesam-Öffne-Dich zum Denali Nationalpark. Im viel gelobten Zeitalter des Internets kann man diese Token bereits bis zu sechs Monate im Voraus online kaufen. Problem ist hierbei nur, dass man bereits zu diesem Zeitpunkt genau wissen muss, an welchem Tag und um welche Uhrzeit man welche Tour machen will. Und die Token verkaufen sich wie warme Semmeln. Angeblich planen Alaskareisende ihre Reise um den Token, also die Besichtigung des Denali herum und nicht andersrum. Sind alle Token ausverkauft, Pech gehabt.

Wir haben keinen Token und somit bleiben uns nur die ersten 12 km. Auf diesen stehen wir dann überraschenderweise 40 Min im Stau, da ca. 400 m neben der Straße ein Elch stand und fraß. Alle Busse bleiben stehen, Fotoapparate klicken, Videokameras surren und bis alles im Kasten ist und nicht wirklich jeder in jedem Bus mindestens unzählige Fotos gemacht hat, wird nicht weiter gefahren. Natur hautnah?!

Nach diesen „wunderbaren“ Erlebnissen geht es weiter nach Anchorage. Die Stadt, heute wirtschaftlicher und kultureller Dreh- und Angelpunkt Alaskas, stellt sich als nüchterne Metropole des Nordens heraus. 280.000 Einwohner (knapp die Hälfte aller Einwohner Alaskas) nennen dies ihre Heimat. Umrahmt von den Talkeetna Mountains, den Ghugach Mountains auf der einen und den Meeresarmen Cook Inlet und Turnagain Arm auf der anderen ist Anchorage eine Stadt mit vielen Gesichtern. Hier leben Indianer, Russen, Kontinentalamerikaner auf der Suche nach Gold oder dem Glück, Verlorene und Naturliebhaber. Dank des internationalen Flughafens ist es für die meisten Reisenden auch der Anfangs- und Endpunkt ihrer Alaskareise. Anchorage ist, trotz einiger Hochhäuser und einer so genannten Downtown, keine Metropole im eigentlichen Sinn. Zahlreiche Parks und die unendliche Natur vor der Haustüre geben dieser Stadt ihren sehr speziellen Charakter. Manchmal soll es sogar vorkommen, dass sich Elche oder Bären bis in die Downtown vorwagen.

Wir bleiben für ein paar Tage, schauen uns in aller Ruhe die Stadt an und warten auf besseres Wetter. Als es schließlich so weit ist, fahren wir zum weltgrößten Wasserflugzeughafen Lake Hood and Lake Spenard Airport. Das Wasserflugzeug wartet schon. Als kleine, aber kunterbunte Truppe besteigen wir, zusammen mit vier Mitreisenden, das kleine Wasserflugzeug. Der sonst eher nicht gerade für seine Zurückhaltung bekannte Amerikaner ist schweigsam, und so schafft es Tina mit einem kurzen OK und Kopfnicken, sich den Logenplatz zu sichern (neben den Piloten). Wir machen uns auf, das Hinterland und einige der Gletscher zu erkunden. Unter ohrenbetäubendem Brummen und beängstigendem Gewackel hebt sich das Flugzeug langsam empor. Anchorage verschwindet am Horizont, und vor uns liegt unendliche Natur, nichts als unendliche, unberührte Natur. Wir überfliegen den Knik Glacier, den Chugach National Forest und unzählige, meist namenlose Seen, Flüsse und Wasserfälle. 90 Min lang tauchen wir das erste Mal in das wirkliche, echte und intakte Alaska ein. Da es hier nur sehr wenige Straßen gibt, ist es eigentlich nur aus der Luft möglich, die Schönheit und Einzigartigkeit dieses Landes zu erfahren bzw. zu erfliegen. Dieser Flug ist sagenhaft. Das erste Mal haben wir wirklich verstanden, was es mit diesem Land auf sich hat. Seine Faszination, seine Einzigartigkeit und seine Schönheit lagen unter uns. Es war ein umwerfendes Schauspiel für Augen und Sinne.

Gletscher, Vulkane, Erdbeben und eine Wüste

Alaska ist ein Land der Extreme. Extrem groß, extrem kalt (im Januar schwanken die Temperaturen je nach Gegend zwischen -10°C und -48°C im Durchschnitt) und eben auch mit extremen Naturphänomenen.

So sind die Gletscher ein „fester“ Bestandteil Alaskas. Es gibt nach vorsichtigen Schätzungen an die 100.000 Gletscher in Alaska. Von diesen haben es keine 1.000 zu einem Namen gebracht. Insgesamt 29.000 Quadratmeilen Alaskas sind vom ewigen Eis bedeckt. Um nur zwei Bespiele zu nennen: Das Harding Icefield hat die gewaltige Fläche von 1.771 km² (München im Vergleich 310 km²) und der Columbia Glacier immerhin noch von 1.000 km², einer maximalen Dicke von 550 m und bei einer Länge von insgesamt 51 km befinden sich mindestens 15 km unter dem Wasserspiegel. Ein durchschnittlicher Eisberg, der sich vom Columbia Glacier löst, umfasst 7 Kubikkilometer!

Im Gegensatz zu den Gletschern gibt es in Alaska aber auch mehr als 80 aktive Vulkane. Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen, meist in abgelegenen Gebieten. Momentan ist der Okmok (auf den Aleuten) wieder aktiv, schleudert seine Asche bis zu 6.000 m in die Höhe und muss von den Fluglinien umgangen werden, um Schäden zu vermeiden. Sogar in der direkten Umgebung von Anchorage finden sich einige aktive Vulkane; hier liegt der letzte größere Ausbruch 16 Jahre zurück. 1992 brach der Mount Spurr aus, und für einige Tage waren Flüge von und nach Anchorage nicht möglich.

Auch Erdbeben prägen und „formen“ Alaska. Die bekannteste aller Erdbebenregionen dürfte wohl der Andreas-Graben bei San Francisco sein (960 km Länge). Der eher unbekannte Denali-Graben bringt es auf mehr als 1.600 km Länge. Erdbeben sind in Alaska an der Tagesordnung. Am 27. März 1964 erschütterte ein Erdbeben von 9,2 auf der Richterskala Alaska. Das Beben dauerte endlose 5 Min und in der Folge haben sich große Teile Alaskas für immer verändert. An manchen Stellen hob sich der Boden um bis zu unglaublichen 9 m, an anderen sank er um bis zu 3 m. Ganze Dörfer versanken so und sind heute an anderer Stelle wieder aufgebaut. Ein Tsunami verwüstete die Stadt Whittier und einige kleine Dörfer entlang der Küste. Die Auswirkungen waren überall auf dem amerikanischen Kontinent zu spüren. Das Städtchen Crescent City, 200 km nördlich von San Francisco, wurde durch eben jenen Tsunami komplett zerstört.

Ein echtes Kuriosum sind die Wüsten Alaskas. Es sind keine Wüsten, wie wir sie uns vorstellen, mit Sanddünen, Oasen, Kamelen und Nomaden. Nein, es sind Wüsten im Sinne der klimatologischen Definition. Das bedeutet, es sind Gebiete, die nicht mehr als 250 mm Regen pro Jahr erhalten (im Vergleich München 950 mm). Fast alle Gebiete nördlich des Polarkreises sind somit per Definition Wüste. Folglich ist die Antarktis mit 13.200.000 km² die größte Wüste der Welt. Kaum zu glauben.

Süd-Alaska, atemberaubende Natur und Gold

Wie bereits erwähnt, kann Alaska nicht gerade mit einem dichten Straßennetz aufwarten. Wir haben daher beschlossen, Anchorage hinter uns zu lassen und uns in dem kleinen Örtchen Girdwood zu stationieren. Von dort wollen wir Ausflüge, Wanderungen und Bootstouren unternehmen. Girdwood liegt gerade mal 60 km südlich von Anchorage, ist aber das touristische Zentrum Alaskas. Von hier aus kann man fast alles unternehmen und erkunden, was Alaska bietet.
Und es gibt eine Bäckerei, die von der Deutschen Stefanie Flynn und ihrem Ehemann Michael, einem ehemaligen First-Class-Koch in First-Class-Häusern, betrieben wird. Das verspricht gutes Brot, eine echte Seltenheit in Amerika. Der kleine „Bake Shop“ ist eine lokale Berühmtheit und hat es am 9. August 2007 sogar in das Reiseblatt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gebracht. Dieser Artikel hängt fein säuberlich ausgeschnitten und gerahmt an prominenter Stelle im Laden.

Die kurze Fahrt nach Girdwood zeigt uns Nebel, Regen und wieder Nebel. Entlang des Turnagain Armes ist leider bei so einem Wetter nicht viel zu sehen. Die vielen Aussichtspunkte und Parkplätze deuten allerdings an, dass es hier bei Sonne sehr schön sein könnte…

In Girdwood befindet sich das einzige Skigebiet Alaskas, und so fahren wir mit der auch im Sommer geöffneten Gondel auf den Mount Alyeska auf 1.200 m Höhe. Die Höhe erscheint nichts Besonderes, doch darf man nicht vergessen, dass die Talstation auf knapp 5 m.ü.M liegt. Leider ist auch von dort oben die Sicht nicht besser, und zu allem Überdruss stehen wir nun auch noch mitten Schnee. Schnee! Wir versuchen, uns nicht unterkriegen zu lassen und hoffen auf den nächsten Tag. Noch nie in unserem Leben haben wir so inbrünstig die Wettervorhersage verfolgt, aber es sollte sich herausstellen, dass eben diese in dieser Region eigentlich immer dieselbe ist: „Partly cloudy with some showers and a slight chance of sun“. So war das jeden Tag. Und auch die Statistik wollen wir an dieser Stelle nicht zu kurz kommen lassen: Bisher ist es der schlechteste Sommer seit 1928! 2008 hatte es hier noch KEINEN Tag mit mehr als 18,3°C (ab dieser Temperatur ist es umgangssprachlich warm hier). Wir haben nie mehr als 16°C erlebt!

Vom kleinen Städtchen Whittier aus machen wir eine Bootstour, die den viel versprechenden Namen „26 Glacier Tour“ hat. Mit Mühe ergattern wir einen der letzten Plätze und stechen in See. Schon bald teilt uns der Kapitän mit, dass ein Teil der Tour gestrichen werden muss. Warum? Na klar, wegen dem schlechten Wetter. Aber dafür führen wir woanders hin. Gut. Und der Name der Tour hält sein Versprechen. Wir fahren fast bis auf Reichweite an Gletscher heran, sehen Eisberge im Wasser treiben, beobachten Robben, Otter und uns unbekannte Vögel. Steht man auf dem Boot, die Augen auf die „Tidewater Glaciers“ gerichtet und in Erwartung einer Gletscherkalbung, kann es (und ist es auch) durchaus sein, dass einem die Finger am Fotoapparat festfrieren. Alles Frieren und Zittern hat sich jedoch gelohnt: zwei Mal können wir dieses gewaltige Naturschauspiel miterleben. Ein wenig Furcht erregend ist es schon, wenn sich diese enormen Eismassen, mit lautem Knarzen und schließlich noch lauterem Donner lösen, ins Wasser stürzen und eine mittlere Flutwelle verursachen. Das nun sichtbare tiefe Blau des Eises ist von unheimlicher Schönheit, Reinheit und Intensität. Man mag kaum glauben, dass dies eine natürliche, nur durch Lichtreflektionen zu Stande gekommene Farbe ist. An diesem Tag sehen wir viele dieser „Tidewater Glaciers“ und sind von deren Anmut, Größe und Ursprünglichkeit begeistert.

Dass es in Alaska Wüsten gibt, wissen wir inzwischen. Aber die Aussicht, durch einen Regenwald zu wandern, ist wieder etwas anderes. Aber es ist wahr. In der Nähe von Girdwood gibt es tatsächlich Regenwald. Der Weg führt uns durch dichteste Vegetation. Tausende von Grüntönen, das Rauschen der Bäche und gelegentliche Sonnenstrahlen schaffen eine märchenhafte Atmosphäre. Farne, Moose und Blätter von der Größe einer aufgeklappten Zeitung. Zwischen den Bäumen und Büschen kann man die in der Luft befindliche Feuchtigkeit sehen. Man kann sie auch schmecken und riechen. Perlen gleich hängen dicke Tropfen an Zweigen und Blättern. Jedes Gewächs versucht das andere an Höhe zu überbieten, um wenigstens ein bisschen vom wertvollen Sonnenlicht zu erhaschen. Dank des vielen Mooses ist es, als spaziere man über eine riesige Matratze, so weich ist der Untergrund. Würde die Sonne richtig scheinen, wir würden uns einfach fallen lassen, die Sonne genießen und wahrscheinlich eindösen. Wir spazieren durch diese Unwirklichkeit, können es nach all den Gletschern und dem Schnee nur schwer fassen, in ein solches Paradies gekommen zu sein. Wäre, ja wäre da nicht eine Kleinigkeit: das ständige Bimmeln unserer Bärenalarmglocken. Diese kleinen Glöckchen sind unser ständiger Begleiter, sobald wir in den Wäldern Alaskas zu Fuß unterwegs sind. Bären sind allgegenwärtig. Erst am Tag zuvor querte einer unseren Weg auf dem Parkplatz. Seit dieser Begegnung haben auch wir ein „Bear Counterattackspray“ – das sprüht 9 Meter weit, und gemäß Gebrauchsanweisung hat man eine 80%ige Chance, den Bär damit zu vertreiben.

Alaska ohne Goldwaschen ist wie Rom ohne Espresso. Wie durch ein Wunder klart das Wetter kurzzeitig auf, wir packen unsere Sachen und machen uns auf den Weg zur Crow Creek Mine. Für $ 15 bekommt man eine Goldwaschpfanne (geliehen), Eimer, Spaten, einen kleinen Kurs in Goldwaschen und ein Säckchen Schlamm mit dem Versprechen, dass wenigstens der Schlamm im Säckchen Gold enthält. Guter Dinge machen wir uns auf, suchen einen Platz am Flüsschen, bei dem wir sicher sind, dass der Schlick und Dreck ungeahnte Goldvorkommen bereit halten und legen los. Zuerst probieren wir es mit dem Schlamm aus dem Säckchen. Und, kaum zu fassen, zwischen all dem Schwarz und Dreck funkelt es: Gold! Aber das war uns ja auch versprochen worden. Wir nehmen es aus der Pfanne und versuchen es mit „echter“ Erde aus dem Flussbett. Wir waschen, schütteln, graben und suchen. Nichts. Kein Funkeln mehr. Kein Gold. Nach gut zwei Stunden erklären wir unseren kleinen Goldrausch für beendet und geben die Werkzeuge zurück. Es soll aber noch Unglücklichere gegeben habe: diese hätten es angeblich nicht einmal geschafft, das Gold aus den Säckchen zu waschen. Immerhin, ganz ohne Schatz ziehen wir dann doch nicht von dannen.

Die Welt aus der Vogelperspektive

Das absolute Highlight haben wir uns noch aufgehoben. Es soll der fantastische Abschluss einer bisher nicht gerade ereignislosen und wunderbaren, wenn auch regenreichen Zeit in Alaska werden. Ein Hubschrauberflug. Mit einem viersitzigen, feuerroten Robinson R44 Raven II geht es in die Lüfte. Unser Pilot Andy liebt Alaska, lebt hier seit einigen Jahren und hat über 3.000 Flugstunden auf dem Buckel. Da das Wetter immer noch wechselhaft ist und es nicht sicher ist, welche der Standardrouten fliegbar ist, geben wir uns ganz dem Spürsinn und der Ortskenntnis Andys hin. Im Gegensatz zum Wasserflugzeugflug ist der Helikopter einfach flexibler. Sieht man etwas Schönes, kann man darüber kreisen, staunen und einfach die Schönheit in sich aufsaugen. Wir fliegen über Sumpflandschaften, in denen es von Schwarz- und Grizzlybären wimmelt. Wir sehen an die 60 Bären und kommen in den sehr, sehr seltenen Genuss, einen weißen Braunbären zu sehen. Schneeweiß steht er mitten im Grün auf der Suche nach seinem Festmahl Lachs. Und, um etwaigen Zweiflern zuvorzukommen: es ist sicher kein Eisbär.

Auf diesem Flug zeigt sich uns ein Alaska, wie man es sonst nur aus Bildbänden kennt. Unendlich viele namenlose, kristallklare Seen in nicht enden wollenden Wäldern, vom Gletscherwasser türkisfarben gefärbte Flüsse und Seen, Gletscher mit tiefen, schwarzen Gletscherspalten, steil abfallende Fjorde und wilde, unbewohnte Küsten. Und wir landen sogar einige Male. Das erste Mal auf einem Eisberg. Es ist nicht so, dass wir nur kurz mal mit den Kufen das Eis berühren, nein wir landen richtig, Motor aus, und steigen aus. Wir laufen über einen Eisberg! Dieser schwimmt frei in einer Bucht und ist in etwa so groß wie ein Fußballfeld. Das ist ein so umwerfendes Erlebnis, wir glauben eigentlich nicht, dass es noch besser werden könnte. Später landen wir noch in einer menschenleeren Bucht, der Fossil Bay. Am Strand finden wir unendlich viele Versteinerungen von Muscheln und Schnecken. Wir durchwühlen den Sand wie kleine Kinder am Strand auf der Suche nach dem Schatz am Ende des Regenbogens. Inzwischen ist sogar die Sonne rausgekommen und das erste Mal sitzen wir im T-Shirt da und genießen unser mitgebrachtes Sandwich. Ein Braunbär riecht dies mit seiner sensiblen Nase und kommt bis auf 300 m an uns heran. Für Einheimische ist das sehr weit weg, für uns jedoch sehr nah.

Nach dieser kleinen Pause verspricht uns Andy noch etwas ganz Besonderes. Wir fliegen zu einem aktiven Vulkan, dem Mount Augustine. Mount Augustine ist auch gleichzeitig Augustine Island. Wie ein riesiger schwarzer Kegel ragt der Vulkan aus dem herrlich blauen Meer. Der Krater liegt leider im Nebel, aber wir landen am Strand am Fuße des Vulkans. Diese Insel kommt einem mit dem schwarzen Sand und dem ein wenig dampfenden und rauchenden Berg surreal vor. Medizinball-große Steine, Bimssteine, lassen sich mit einer Hand heben. Federleicht. Ein bisschen kommen wir uns vor wie Obelix mit seinen übermenschlichen Kräften. Zum Abschluss fliegen wir noch um den Vulkan herum, und man kann nun gut den Fluss des inzwischen erstarrten Magmas sehen. Leider ist dies auch der Punkt, von dem aus es zurückgeht. Über das Cook Inlet, in dem wir noch einen riesigen, aber leider toten Buckelwal treiben sehen und über endlose Wälder geht es zurück. Noch einmal landen wir um zu tanken, schließlich lagen die beiden Kanister nicht umsonst zwischen unseren Füßen.

Dieser Flug war absolut sagenhaft. Und eine enorme Quelle für Fotos und Videos.

Ein Traum geht in Erfüllung

Während dieser kurzen Tankpause fragt Andy Jakob, ob er denn auch einmal fliegen wolle. Wie? Wirklich? Oh, wie cool. Na klar. Begeistert sagt Jakob zu. Tina schlottern bei dem Gedanken die Knie. Äh, Jakob hat so was noch nie gemacht, können wir denn nicht vielleicht runterfallen? Andy, der auch lizensierter Fluglehrer ist, verspricht, dass wir nicht abstürzen. Nun gut. Andy bringt den Hubschrauber in die Luft und dann darf Jakob übernehmen. Fast 15 Min darf er fliegen. Kurve links, Kurve rechts, nach unten, nach oben. Nur den Hubschrauber gerade und bewegungslos in der Luft zu halten, will nicht so ganz klappen. Irgendwie kippt das verhexte Fluggerät immer zu einer Seite weg. Macht nichts, Jakob strahlt, Tinas Knie schlottern nicht mehr, und Andy bringt uns sicher auf den Boden zurück.

Alaska – auf Wiedersehen

Voller Eindrücke und um sagenhafte Erinnerungen reicher machen wir uns wieder auf den Weg nach Kanada, Richtung Süden. Aber eins ist sicher: nach Alaska kommen wir wieder. Wetter hin oder her, dieses Land ist sagenhaft und von so unglaublicher Schönheit. Wir wollen nicht versäumen zu erwähnen, dass wir in diesem Land, das den ersten Eindrücken nach voll von Einzelgängern und eher komischen Kauzen ist, die nettesten und warmherzigsten Menschen überhaupt bisher getroffen und kennen gelernt haben. Vom Einzahnigen bis hin zum immer schwarz gekleideten, immer Sonnenbrille und schwarzen Schlapphut tragenden Goldsucher. Letzterer lebt übrigens von der Goldsuche (und dem Finden) und fördert nach eigener Aussage so an die $ 100.000 pro Jahr. Ein bisschen Gold hat er immer in einer kleinen Plastikflasche dabei.

Unser Plan ist, die knapp 3.500 km bis Lake Louise/Alberta in Kanada durchzufahren. Nach zwei Tagen Fahrt gönnen wir uns trotzdem einen Tag Pause. In Whitehorse am Klondike. Die Sonne scheint, wir sitzen am Flussufer,lassen die Seelen baumeln und erholen uns für die Weiterfahrt. Nach insgesamt fünf Tagen kommen wir wieder in Lake Louise an. Ja, genau, hier fing vor gut vier Monaten unsere Reise an. Wir wollen ein paar Tage in den herrlichen Rocky Mountains bleiben.

 

 

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