Knut goes home

Auf der Jagd nach Stempeln!

06.01.2009 – 16.01.2009

USA: ODYSSEE EINER VERSCHIFFUNG

Wie sang schon Stephan Remmler 1987 so schön (berechtigterweise ist dies Geschmacksfrage) und unvergesslich:

„Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei,
jawoll, mein Schatz, es ist vorbei….“

Unsere Zeit auf Hawaii war eben keine Wurst, und somit hat auch diese wunderbare Zeit ein Ende gefunden. Am 8. Januar geht es wieder aufs amerikanische Festland nach L.A. zurück. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge fliegen wir über die Weiten des Pazifiks, und nach knapp 7 Stunden taucht das Lichtermeer von L.A. unter uns auf. „Aloha“ liegt hinter und „Hey man“ vor uns.

Kaum in L.A. angekommen, stehen wir abermals an einem Endpunkt. Aber warum? Seit genau 299 Tagen sind wir nun unterwegs. Am 15. März 2008 haben wir München verlassen. Voll mit Träumen, Wünschen, Ängsten und, so viel ist sicher, zu viel Gepäck. Aber das ist eine andere Geschichte. In diesen 299 Tagen haben wir unendlich viel erlebt. Manches war zum Totlachen, manches traurig, manches von unbeschreiblicher Schönheit und wieder anderes einfach unfassbar. Wir haben so unendlich viel erlebt, dass es wahrscheinlich für ein ganzes Leben reichen würde. Würde. Eventuell. Man muss ja auch noch Träume haben, und es gibt noch so unendlich viele Länder… In den letzten 299 Tagen haben wir 193 DIN A4 Seiten Abwesenheitsnotizen geschrieben, 1.063 Fotos und 88 Videos online gestellt, knapp 36.000 km zurückgelegt, einen Strafzettel bekommen und unzählige Liter Diesel verbrannt.

Die Odyssee einer Verschiffung

Bereits von Hawaii aus hatten wir uns um die Verschiffung unseres treuen und zuverlässigen Weggefährten Knut gekümmert. Dachten wir. Alles klang furchtbar einfach. Wie bereits für die Verschiffung von Deutschland nach Kanada hatten wir uns für die Firma Seabridge entschieden. Bei dieser Verschiffung hatte alles wunderbar geklappt, sorgenfrei und problemlos. Die von Seabridge hauptsächlich „bearbeiteten“ Häfen liegen jedoch alle an der Ostküste der USA. Von der Westküste hat die letzten Jahre wohl keiner mehr sein Gefährt nach Hause verschifft. Neuland für alle Beteiligten.

0002Eifrig hatten wir mit Seabridge telefoniert und gemailt. Der Plan sah einfach aus. Wir würden uns bei dem hiesigen Spediteur, Ted Rausch, melden, einen Termin ausmachen, ein paar Papiere unterschreiben und fertig. Theoretisch. Ebenfalls von Hawaii aus hatten wir einen Termin mit dem Spediteur in Long Beach vereinbart und machen uns guter Dinge auf den Weg in dessen Büro. Die Firma Ted Rausch-Coorperation gibt es bereits seit 1958, und hätte es damals schon Internet gegeben, man wäre versucht zu glauben, deren Homepage sei aus dem gleichen Jahr. Ganz zu schweigen von deren Büroräumen. Ted Rausch, noch lebhaft, war in den frühen 1950er Jahren aus Berlin nach Long Beach ausgewandert, um dort sein Glück zu finden. Die Büroräume sind in einer Mischung aus deutscher Eiche und kalifornischem Plastik eingerichtet – mit Schwerpunkt deutsche Eiche. Ein solches Büro würde in Deutschland heute unter Denkmalschutz stehen. Ein Relikt aus den Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders.

Da stehen wir also. Mitten im preußischen Deutschland nahe der mexikanischen Grenze. Es ist bizarr. Wären aus dem Fenster keine Palmen zu sehen, man könnte auch in Ribnitz-Damgarten nördlich von Lübeck in einem verstaubten Büro stehen. Unser Ansprechpartner ist Amando. Amando Papilla. Amando, sichtlich aufgeregt, jemals überhaupt einen Kunden zu Gesicht zu bekommen, erwartet uns schon sehnsüchtig. Alle Papiere liegen bereit, nur die $ 290 Bearbeitungsgebühr haben wir nicht in Cash dabei. Aber in einem Land, in dem es sogar Drive-through-ATMs gibt, ist das kein Problem. Als Beleg, das Geld erhalten zu haben, formt Amando kunstvoll aus den Scheinen einen Fächer und kopiert diesen. Er brauche dies für die Unterlagen, sagt er. Buchführung wie in der 1950er Jahren.

Wir denken, mit Amando und Ted Rausch fertig zu sein und erhalten eine Telefonnummer. Diese müssten wir anrufen und einen Termin für die Fahrzeugabgabe im Hafen vereinbaren. Einfach. Dachten wir. Gut gelaunt, dass bisher ja alles so reibungslos verläuft, machen wir uns auf den Weg nach L.A. zurück. Gleich am nächsten Morgen wollen wir im Hafen anrufen und den entsprechenden Termin vereinbaren.

Eine perfekte Melange aus Arschgeige und Bürokrat in der 127. Generation

Fast hatten wir Amando und das denkmalgeschützte Büro schon vergessen, als wir einen Anruf von selbigem aus selbigen erhalten. Der Zoll zickt und will unser Auto nicht freigeben. Er verstehe das nicht, das sei noch nie vorgekommen, aber der entsprechende Beamte sei jung und stur. Das kennen wir irgendwoher. Wie war das gleich noch mal mit der Polizistin in Orange County? Ob es uns denn möglich sei, am nächsten Morgen noch einmal vorbeizukommen um das mit dem Zoll selbst zu regeln. Ja, klar, gerne! Behördengänge in den USA gehören zu unseren Stärken. Sicherheitshalber stecken wir Adresse und Telefonnummer unseres hiesigen Anwalts ein; schließlich hat dieser ja schon mal ein behördliches Problem für uns gelöst.

0003Neuer Tag, neues Glück, altes Büro und Amando. Wir stellen fest, dass Amando immer gleich lacht und sind uns nicht sicher, ob wir es vielleicht mit einem Androiden zu tun zu haben, welcher fehlerhaft für Behördengänge programmiert wurde. Mit Amando im Schlepptau geht es ins Zollbüro. Dieses liegt im achten Stock, und zu unserem Erstaunen und Schrecken befinden sich in den darunter liegenden Stockwerken auffallend viele Anwaltskanzleien. Kann das Zufall sein?

Ein mürrischer und wirklich junger Beamter (ob man als junger Mensch in der Beamtenlaufbahn so wird oder ob das ein Einstellungskriterium ist, lassen wir offen und unbeantwortet) nimmt sich unserer an. Wir sind in der Annahme gekommen, dass Amando bereits eine gewisse Vorarbeit geleistet hat, und gehen in dem Wissen, dass dem nicht so ist. $ 290 Bearbeitungsgebühr. Wofür? Wahrscheinlich fließt das alles in aus Preußen importiertes Pronto classic Möbelpflege-Spray.

Dieser junge Beamte, wir entschuldigen uns bereits im Voraus, ist eine perfekte Melange aus Arschgeige und Bürokrat in der 127. Generation. Wahrscheinlich hätte diese Seele von Mensch nicht einmal die Viecher auf die Arche Noah gelassen. Weltuntergang hin oder her. Ohne Stempel keine Weltrettung. Im Umkehrschluss hätte dies allerdings auch dazu geführt, dass es heute keinen Zoll gäbe. Wie wir aber alle wissen, durften die Viecher auf die Arche, und so gibt es heute auch den Zoll.

Zuallererst müssen wir en detail über unsere Reise berichten. Nicht weil die Melange das interessiert, nein, sondern diesem horizontlosen Enggehirn ist es einfach zu suspekt, wie man so viele Ein- und Ausreisestempel im Pass haben kann, ohne Böses im Sinn zu haben. Nach einem recht langen und in unseren Augen aufregenden, mit Pepp und Spannung versehenen Erlebnisberichtbericht der letzten 299 Tage schaut der Zollfuzzi noch ungläubiger denn je. Oh je!

Schon oft haben wir uns gefragt, was Zöllner (oder auch Polizistinnen) in Dokumenten und Papieren zu finden erwarten, die in einer Sprache verfasst sind, derer sie nicht mächtig sind, geschweige denn dass sie wüssten, auf welchem Kontinent dieses suspekte Land denn läge. Jener Zöllner, jene Melange blättert also eifrig durch unsere Pässe, die deutsche Zulassung (und die verstehen schon Deutsche kaum), den internationalen Führerschein und das Carnet de Passage. Blöderweise sind in diesem Dokument Länder erwähnt, die der 43. Präsident der Vereinigten Staaten als Böse gebrandmarkt hat. Es ist nie gut in den USA, ein offizielles Dokument zu haben, in dem neben Kuba oder Libyen gar der Iran, der Irak oder Nordkorea erwähnt sind. Dass das Carnet de Passage ein international anerkanntes Zolldokument ist, müssen wir dem guten Mann auch erst einmal erklären.

0001Nach intensiver Durchsicht aller Unterlagen kommt schließlich die Quintessenz unseres Besuches zur Sprache: die Verschiffung von Knut. Wir hätten gar nicht das Recht, das Fahrzeug zu exportieren. Ungläubig schauen wir durch die Glasscheibe in das ausdrucklose Gesicht des Zöllners. Bitte was? Wir wollen es ja auch gar nicht exportieren, nur nach Hause verschiffen. Unser Verständnis von Export ist jenes, dass man nur etwas exportieren kann, was man vorher importiert hat oder in dem Land produziert wurde. Nun haben wir Knut weder importiert noch wurde er in den USA gebaut. Knut kommt aus der schwäbischen Alb. Doch, doch, wir müssten das Fahrzeug exportieren. Aber dafür müssten wir es erst importieren. Wir stehen da und staunen. Wie wir denn bitte etwas importieren könnten, das bereits da ist und eigentlich exportiert werden soll? Der nette Mann erklärt uns schließlich, dass wir uns bei unserer Einreise sogar selbst importiert hätten. Nach seiner Auffassung seien wir als Menschen somit auch ein Gut, welches man importieren und exportieren könne. Ähnlich den Schweinehälften aus China. Sagt er zum Glück nicht, aber denken wir uns.

Wie wir das Problem denn lösen könnten, fragen wir, und bekommen die sagenhafte Antwort, dass das eine gute Frage sei. Er kläre dies mal mit einem Kollegen. Und verschwindet. Wir sehen ihn am anderen Ende des Büros einen Joghurt essen und mit einem Kollegen beratschlagen. Hoffentlich ist der Joghurt ein Fruchtzwerg. Die machen laut Werbung ja schlau und enthalten Vitamin D und Calcium. Wir hoffen.

So stehen wir nun da. Und staunen. Amando ist, das nur am Rande erwähnt, inzwischen einen Schritt zurückgetreten und still wie eine Kirchenmaus. Sein Glück. Noch mehr Inkompetenz, und wir würden, wenn nicht ausflippen, diesem Punkt jedoch sehr nahe kommen.

Nach seinem Joghurt und der Beratschlagung mit seinem Kollegen kommt unser netter Zöllner zurück und kramt ein Dokument hervor. Nachdem wir bei der allerersten Einreise in die USA das Fahrzeug nicht importiert hätten, müssten wir das jetzt machen und reicht uns das Formular. Vorderseite Import, Rückseite Export. Zwei Minuten später sind wir fertig und übergeben dem ungläubigen und ratlosen Amando die Unterlagen. Auf unsere Frage, ob er noch was von uns brauche, erhalten wir keine Antwort. Kleinlaut dackelt er zum Lift und wir erhobenen Hauptes hinterher. In dem Wissen, alles Notwendige veranlasst zu haben, rufen wir im Hafen an und machen für den nächsten Tag einen Termin zu Fahrzeugabgabe aus.

Mit Trudy im Hafen und die Definition von nationaler Sicherheit 2.0

Dort treffen wir uns am nächsten Tag mit einem Wesen. Dieses Wesen scheint im ganzen weiten und unendlich erscheinenden Hafen von Long Beach die einzige Frau zu sein. Irgendwo haben wir mal gelesen, dass Menschen sich im Laufe der Jahre an ihre Umgebung anpassen (Turboevolution im Kleinen). Dieses Wesen, diese Dame ist ein Exempel par excellence. Wo die außer auf den Zähnen noch Haare hat, wollen wir uns nicht einmal in den schlimmsten Gedanken ausmalen.

Ihr Name ist uns leider entfallen, daher nennen wir sie der Einfachheit halber Trudy. Trudy, ein echtes Sternchen. Wir marschieren also in das Büro und präsentieren stolz unsere ganzen Unterlagen, inklusive der Importbescheinigung. Trudy wirft einen kurzen Blick darauf und befindet alles für gut. Erste Hürde genommen. Wir, ganz optimistisch, denken, somit alles erledigt zu haben. Denkste. Trudy will das zu exportierende Fahrzeug in Augenschein nehmen, sie müsse es ja für gut und exportsicher befinden. Ja, ja, so ist das hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Am Fahrzeug angekommen, ist ihre erste Frage, ob wir denn einen Gastank hätten, was wir verneinen und ihr erklären, dass wir in einem separaten, vom Innenraum getrennten Fach zwei Propangasflaschen gehabt hätten, diese aber natürlich bereits entfernt seien. Keine Gastanks, wie mickrig. So etwas habe in den USA ja schon seit den frühen 1960er Jahren keiner mehr. Wir belassen es dabei und denken uns, dass die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Welt manchmal komisch sind. Ob wir denn ein Zertifikat vorweisen könnten, das bescheinige, dass wir die Gasleitungen gereinigt, desinfiziert und das restliche, in den Leitungen befindliche Gas „environmentally friendly“ entsorgt hätten.

Vollkommen entgeistert schauen wir Trudy an. Gasleitungen reinigen und das auch noch environmentally friendly in einem Land, in dem ein Auto als umweltfreundlich gilt, das weniger als 25 Liter auf 100 km verbraucht? Nein, das hätten wir nicht, antworten wir. Trudys trockene Antwort, dass wir das „Ding“ (the thingy) dann auch nicht auf ein Schiff bringen könnten, schockiert uns. Explosionsgefahr! Schiff könnte sinken, und das würden wir ja sicher nicht wollen. Oha! Muss man das verstehen? Wir erklären ihr nun, dass die Leitung von den Gasflaschen bis zum Herd knappe 5 m lang ist und einen Durchmesser von ca. 7 mm hätte. Nun liegt die Schulzeit leider schon ein paar Jahre zurück und wir sind nicht in der Lage, eine hieb- und stichfeste Berechnung vorzulegen, schätzen aber, dass der mögliche Inhalt dem von ca. 5 Feuerzeugen entspricht, und wenn eine solch geringe Menge Gas ein Schiff sprengen kann, das über die Weltmeere schippert, na dann Prost Mahlzeit. Zu unserer eigenen Überraschung akzeptiert Trudy das so, und das Gasproblem und eventuelles, versehentliches Versenken des Schiffes ist vom Tisch.

Nun zum Innenraum. Brav sperren wir die Türen auf und erleben ein Spektakel der Sonderklasse. Bei Trudy stellen sich alle für uns sichtbaren Haare auf und sie schaudert. Wie? Da ist ja was drinnen! Äh, ja, sind ja schließlich die letzten 10 Monate damit umhergefahren und da braucht man schon ein bisschen was. Das muss alles raus, sagt Trudy. Da stehen wir nun im Hafen von Long Beach und merken, wie uns unsere Gesichtzüge entgleisen, wir werden blass und japsen nach Luft. Wie? Das muss alles raus? Geht nicht, kann ja gar nicht sein. Doch, doch. Zum Glück stehen wir an der frischen Luft, eine leichte Brise weht über das Meer, und die Sauerstoffversorgung unserer Gehirne ist gesichert. Wir finden unsere Fassung langsam wieder.

Allmählich denken wir uns, dass der Herr Zöllner vom Vortag ja eigentlich ein ganz netter Typ war. Wir hätten es nicht einmal in den kühnsten Träumen zu denken gewagt, dass es im Laufe dieser Odyssee eine Person gäbe, die noch ätzender und widerlicher und unfähiger sein könnte als der Mann vom Zoll. Wir haben uns geirrt. Wir packen unseren ganzen Charme aus und versuchen Trudy dazu zu bewegen, dass wir die Sachen im Auto lassen dürfen. Alles sei ja fein säuberlich verstaut. In Regalen, Fächern und Kisten. Die gute Trudy ist inzwischen reichlich genervt und schafft es irgendwie, mit ihren kurzen Wurstfingern ein Handy aus den Tiefen ihrer Hosentasche zu fummeln. Der Anruf wird einen Vertreter der Reederei erreichen. Vielleicht lässt sich der ja erweichen. Ganz geheimnistuerisch nuschelt und flüstert Trudy in den portablen Fernmeldeapparat. Bis sie zurückkommt und meint, wir dürften das selbst klären. Also ist es nun an Jakob, den guten Mann am anderen Ende der Leitung zu überzeugen. Was gelingt. Mit einem Nachteil: Da das Auto ja angeblich bis unters Dach voll gestopft sei (hätte Trudy gesagt, was aber nicht stimmt), müssten wir die Schlüssel zum Wohnbereich ebenfalls abgeben. Dann könnte der Zoll reinschauen. Und somit auch jeder Dieb. Und das ganze Auto leer räumen. Wenn wir das nicht wollten, müssten wir halt alles in einen Container verräumen und diesen separat verschicken. Wir sind überredet und werden die Schlüssel da lassen.

So, und nun müsse der Rest des Autos untersucht werden. Wir leben ja in einer „post 9/11 world“ und da muss man schon ganz genau hinschauen. Zum wiederholten Male sind wir zutiefst erstaunt über die flächendeckende Traumatisierung der USA, auch sieben Jahre nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September. Hier hat G.W. Bush ganze Arbeit geleistet. Jeder Nicht-Amerikaner ist heute ein potentieller Terrorist, und da hilft es auch wenig, dass der bald zu vereidigende nächste Präsident den Zweitnamen „Hussein“ hat und einen liberaleren Kurs einzuschlagen versprochen hat. Noch herrscht King Bush!

Wie bei jeder Durchsuchung der äußeren Staufächer klemmt eines der guten Dinger. Bisher haben wir es aber noch jedes Mal geschafft, den entsprechenden Ordnungsüberwacher davon zu überzeugen, dass in dem nicht zu öffnenden Fach auch nichts Böses oder Explosives verstaut ist. Nicht so Trudy. Die ist da eisenhart. Das muss geöffnet werden. Sie habe Zeit, warte aber im Büro. Da sei es kühler. Unter größten Mühen gelingt es uns, unter Zuhilfenahme zahlreicher Küchenutensilien (vom Kochlöffel bis zum Brotmesser) das verfluchte Ding zu öffnen. Unsere Unterarme schauen aus, als hätte sich ein Löwe daran zu schaffen gemacht, so verkratzt sind die vom blinden Hineinstecken in die halb verschlosse Box.

Mit stolzerfüllter Brust macht sich Jakob auf den Weg, Trudy den Erfolg zu vermelden. Die Box sei jetzt durchsuchbar. Mit Warnweste bekleidet, schwingt sich Trudy in ihrer gottgegebenen Grazie aus dem Bürosessel ins Freie und würdigt dem geöffneten Fach geschätzte 1,3 Millisekunden. Und entdeckt keine Gefahr. Für diesen Blick haben wir 20 Minuten in der prallen Sonne die Box beackert. Schweißgebadet und genervt könnten wir die Gute erschlagen. Zum Wohle aller, denken wir uns. Erstaunlicherweise fällt der sicherheitsbewussten und die post 9/11-Welt kontrollierenden Dame nicht auch noch die letzte (wohlgemerkt größte) Box auf. Allein in dieses Fach könnten wir so viel Sprengstoff packen, dass wir wirklich das Schiff zum Untergang bringen könnten. Wollen wir aber nicht und wundern uns einfach nur.

Auf die Rückseite unseres mühsam ergatterten Zollpapiers schmiert Trudy dann auch noch eine Skizze des Hafengeländes. Da hinter, dort rum und dann da vorbei. Da säße Scottie, der nähme das Auto entgegen. Die Zeichnung hat den hilfreichen Wert einer mongolischen Gebrauchsanweisung zur Programmierung des Videorekorders, und so kurven wir verirrt und verwirrt zwischen Containern und so Allerlei über das Hafengelände. Wir finden Scottie schließlich in einem Raum, der an Schmucklosigkeit und Leere nicht zu überbieten ist. Jede Klosterzelle ist ansehnlicher ausgestattet. Auf dem leeren Tisch steht einzig ein Schildchen mit dem so doofen wie witzlosen, aber fast schon beängstigenden Spruch: „I am stupid and that’s why I am sitting here!“

Scottie weist uns ein, und wir parken Knut in einer Halle. Das letzte Mal auf amerikanischem Boden. Ein bisschen traurig ist es schon, waren wir doch so lange mit ihm unterwegs, und nun müssen wir ihn bei jemand lassen, der sich sogar öffentlich und für jeden sichtbar als „stupid“ bezeichnet. Wir verabschieden uns von Knut und freuen uns, ihn hoffentlich bald wieder in Bremerhaven abzuholen.

Hoffentlich haben wir alles Wichtige aus den Tiefen und Ecken gefummelt, was wir jetzt noch brauchen (könnten). Knut steht ab sofort für uns unerreichbar im Zollbereich des Hafens von Long Beach und wird in ein paar Wochen durch den Panamakanal schippern, an Mittelamerika entlang und in Bremerhaven wieder Tageslicht sehen. Gute Reise und bis dann, alter Freund! Daheim gibt es frisches Öl, eine richtige Dusche und einen frischen TÜV.

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